Um es gleich voraus zu schicken: Ich mag keine Hühner. Noch nicht einmal als Hühnersuppe.
Trotzdem führt mein Weg jeden Morgen als Erstes, noch vor dem Frühstückskaffee, zu einem Hühnerhof. Raus aus dem Haus, 50 Meter die Straße hoch, 100 Meter den schmalen Fußpfad entlang.
Und dann stehe ich 5 Minuten da und betrachte die Hühner. Manchmal bin ich zu früh, dann betrachte ich nur den Hühnerhof ohne Hühner. Manchmal, meistens wenn die Hühner noch nicht da sind, spiele ich ein Spiel: ‚Was ist anders? ‘
Der Hühnerhof muss einem Menschen mit viel Zeit und einer großen Zuneigung für Hühner gehören. Jeden Morgen ist etwas anders, besser. Da ein Unterstand. Dort eine Leiter, eine Hühnerleiter. Drüben ein rotweißes Flatterband gegen den Habicht. Veränderbare Zäune, die die Hühner auf verschiedene Teile der Wiese leiten. Habe ich erwähnt, dass die Hühner in einem alten Bauwagen wohnen?
Jeden Morgen besuche ich also die Hühner.
Der Grund: Mein Hund mag Hühner.
Und wir haben eine Abmachung: morgens darf er die Route bestimmen und dafür bringt er die Sache mit dem Gassi gehen relativ zügig hinter sich. Jeden Morgen steht mein Hund am Zaun zum Hühnerhof. 5 Minuten. Regungslos. Auf drei Beinen. Die Sache ist so spannend, dass er unmöglich auch die vierte Pfote aufsetzen kann. Wenn die Hühner da sind, kommuniziert er mit ihnen. Lautlos. Durch Blickkontakt. Mit jedem einzelnen Huhn. Auch die Hühner, vom Blick meines Hundes eingefroren, setzen ein Bein nicht auf. Ich hätte nie gedacht, dass Hühner so lange auf einem Bein stehen können.
Wenn keine Hühner da sind, steht mein Hund auch 5 Minuten am Zaun. Dreibeinig.
Ob er das Spiel spielt?
Jeden Morgen beginne ich den Tag mit einem Besuch beim Hühnerhof. Obwohl ich keine Hühner mag.
Eigenartig, wie es uns in Rituale einbindet, das Leben.