Archiv der Kategorie: Heute Keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik – Spurensuche

Hintergrundinformationen zu Heute keine Schüsse – Weimarer Republik

12.09.1931, Sonnabend aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Heute ist jüdischer Neujahrstag. Wieder wurden jüdische Geschäfte auf dem Kurfürstendamm von Braunhemden demoliert. Ich fürchte, dieses Mal war auch Phillip dabei. Er antwortete nicht, als Radke ihn zur Rede stellte. Nur als sein Vater ihm vorwarf, dass einige dieser jüdischen Geschäftsleute gute Kunden der Galerie seien, meinte Phillip, sein Vater habe früher auch anders über Juden gedacht und solle sich besser überlegen, mit wem er in Zukunft Geschäfte mache.

Kurz nach 1900 gründete  Oscar Tietz  das erste Kaufhaus in Berlin. Es war der Anfang der riesigen Einkaufspaläste.  Später wurden diese Kaufhäuser von den Nationalsozialisten sabotiert und schließlich enteignete man die jüdischen Kaufhausbesitzer.

12.01.1931, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Eldorado.

Erst beim Morgengrauen verließ Luise das Lokal. Sie sah müde aus. Übernächtigt. Das Rouge der Nacht lag noch auf den bleichen Wangen. Aber trotzdem war sie allerliebst anzusehen mit dem kecken Hütchen auf den kurzen Haaren, dem einfachen braunen, kurzen Mantel und den hochhackigen Schuhen. Wohin sie wohl geht, nachdem ihre Schicht endlich zu Ende ist?

Das Eldorado in der Motzstraße war ein berühmtes Vergnügungslokal. Heute erinnert noch der Name des Bio-Marktes „Speisekammer im Eldorado“ an seine Zeit in den Goldenen Zwanzigern.

21.07.1931 aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Eldorado.

Ich brachte es nicht über mich, mit Luise über die Enthüllungen von Ernst zu reden. Sicherlich will der Schwager nur verhindern, dass dieses Mädchen Teil unserer ehrbaren Familie wird. Manchmal vergesse ich, dass Ernst ein von Hauen ist. Er gibt sich immer so weltoffen und freundschaftlich allen gegenüber.

 

Das Eldorado in der Motzstraße war ein berühmtes Vergnügungslokal. Heute erinnert noch der Name des Bio-Marktes „Speisekammer im Eldorado“ an seine Zeit in den Goldenen Zwanzigern.

 

 

20.07.1931, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ernst brachte mir Luises vollständige Adresse in der Wexstraße.„Nicht gerade beste Wohngegend“, meinte er, „ich habe etwas nachforschen lassen. Deine kleine Tänzerin wohnt da mit einer Hure zusammen, die im ganzen Wohnblock für ihre preiswerten Dienste bekannt ist.

 

Auch Luise wohnte in einer realen Straße und es  gibt sie noch, die Wexstraße.

22.02.1932, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Goebbels gab im Sportpalast bekannt, dass der Führer der NSDAP, Adolf Hitler, sich für das Amt des Reichspräsidenten zur Wahl stellt. Ernst berichtete, die Rede Goebbels habe geklungen, als gäbe es an seinem Wahlsieg keinen Zweifel. Goebbels macht Wahlkampf mit der Not der Menschen. Schürt ihre Angst. Selbst vor dem Thema Selbstmord schreckt er nicht zurück. Mich ekelte es, als Ernst mir einen Artikel des Angriff, geschrieben von Goebbels, vorlas. Nachdem er alle Versprechungen der Weimarer Gründungsväter auf ein besseres, gerechteres Leben als Lügen diffamiert hatte, endete der Artikel mit dem Satz:

Das Glück dieses Lebens in Schönheit und Würde vermochten nicht mehr zu ertragen … und dann folgten die Namen der Selbstmörder dieses Monats.

Goebbels benutzt diese Worte der Krise, um der Republik das Vertrauen des Volkes zu entziehen. Es sind nicht die Krisen, die der Republik schaden. Es sind die Menschen, die diese Republik nicht wollen und alles tun, um ein gutes Regieren zu verhindern.

Der Sportpalast war eine riesige Veranstaltungshalle im Stadtteil Schöneberg  in der in erster Linie Kundgebungen und Sportereignisse ( Sechstagerennen, Boxen) stattfanden . Die Halle wurde 1973 abgerissen und durch triste, mehrstöckige Wohnhäuser ersetzt. Ein Gedenktafel in liebloser, ungepflegter  Umgebung und ein Hinweisschild erinnert an den Sportpalast.

28.01.1932, Donnerstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Um mich von düsteren Gedanken abzulenken, bin ich mit Ernst zum Flughafen Tempelhof gefahren. Hier stellte Dornier das neuentwickelte viermotorige Passagierflugzeug Do-K vor.

Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage macht die Industrie Fortschritte. Vielleicht brauchen die Menschen nur mehr Vertrauen und einen längeren Atem. Dies ist nicht die erste Krise, die die Republik überwindet.

Der Flughafen Tempelhof war einer der ersten Verkehrsflughäfen  Deutschlands und nahm 1923 den Linienverkehr auf.

2008 wurde er geschlossen. Das ehemalige Flugfeld wird als Freizeitpark „Tempelhofer Feld“ von den Berlinern genutzt.

Interessant ist auch die riesige Flughafengebäude, das ab 1936 entstanden ist und 1941 mit einer Gesamtlänge von 1,2 Kilometer und einer Geschossfläche von 307.000 m² eines der längsten und flächengrößten Gebäude Europas ist —  Architektur im Nationalsozialismus eben – direkt daneben war übrigens seit 1934 das KZ Columbia, das man  aber abriss, als das Flughafengebäude in Betrieb genommen wurde.

 

04.07.1932, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ich war zur großen Demonstration der Kommunisten im Lustgarten. KPD-Abgeordnete mit Sowjetfahnen, dazwischen die roten Fahnen der Einheitsfront.

„Freiheit!“

Der Ruf wurde von Tausenden ausgestoßen, die zugleich die geballte Faust reckten. Mittendrin erkannte ich Fritz, eins mit der Menge, voller Wut, voller Kraft und voller Entschlossenheit. Und am Rande stand ich – wie immer als Beobachter.

Als würde sich die Geschichte wiederholen.

In der Zeit der Weimarer Republik wurde der Lustgarten unweit des Berliner Stadtschlosses  vor allem von der Arbeiterbewegung  zu politischen Kundgebungen genutzt.

13.06.1932, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Nun bekommt die Regierung tägliche Sendezeit im Rundfunk. Man will näher zum Volk.

Elsa schickte mir ein kleines Büchlein: Kleiner Mann – was nun? von Hans Fallada, das gerade im Rowohlt Verlag erschienen ist. Ich legte es nach kurzer Lektüre zur Seite. Zu schmerzhaft die Erinnerung an Luise, die es auslöst.“

Bei meiner Recherche zur Zeit der Weimarer Republik habe ich nicht nur viel über die Zeit gelesen, sondern ganz besonders und sehr gerne auch Bücher aus dieser Zeit.

Hans Fallada ist 1893 in Greifswald geborgen und  zog Anfang der 30ger Jahre nach Berlin. Sein Verleger, Ernst Rowohlt hatte im dazu geraten. „Kleiner Mann – was nun?“ war sein erster Roman, der auch international beachtet wurde. Hans Falladas sozialkritische Romane beschreiben das Leben des kleinen Mannes in der Zeit der Weimarer Republik.

 

06.11.1932, Sonntag, Wahltag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Wieder Reichstagswahl. Nunmehr die fünfte große Wahl in nur acht Monaten. Ein ruhiger Sonntag. Gespannt erwarten wir den Ausgang der Wahl. Ich weiß vom Vater, dass viele seiner alten Freunde, unter anderem auch Ernst vor Borsig, einen Aufruf mit der Überschrift „Mit Hindenburg für Volk und Reich“ an Hindenburg gesandt haben. Sie sprechen sich darin für die Regierung Franz von Papens, für die DNVP und gegen die NSDAP aus.

31.05.1932, Dienstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Wieder ist Berlin im Aufruhr. Ich war am Morgen vor dem Präsidentenpalais in der Wilhelmstraße. Beim Aufmarsch der Wache begleiteten tausende Nationalsozialisten die Wache auf ihrem Weg durch die Straßen. Heil-Rufe. Goebbels, auf einem Lastauto, versuchte, eine Rede zu halten. Die Schutzpolizei trieb die Menge immer wieder auseinander. Steine wurden geworfen. Schüsse. “                                                

Das Gebiet um die Wilhelmstraße war zur Zeit der Weimarer Republik als Regierungsviertel bekannt. Nach der Machtergreifung richteten sich die Behörden des NS Regimes in der Wilhelmstraße ein. Viele der Regierungsgebäude wurden während des 2. Weltkrieges zerstört. Die Reichskanzlei stand in der Wilhelmstraße, in ihrem Garten lag der Führerbunker. Gedenktafeln mit historischen Portraits weisen heute auf die besondere Bedeutung der Wilhelmstraße hin und immer noch sind viele Regierungsbehörden in und um die Wilhelmstraße ansässig. Es wurde lange diskutiert, ob man die Plattenbauten aus der DDR Zeit abreißen und das Viertel wieder ähnlich wie vor dem 2. Weltkrieg aufbauen soll. Letztlich kam man zu dem Schluss, die Plattenbauten zu erhalten. Ich finde das gut, sie sind schließlich auch Teil unserer Geschichte.