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Die Wirklichkeit ist nur ein Teil des Möglichen. Dürrenmatt

04.07.1932, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ich war zur großen Demonstration der Kommunisten im Lustgarten. KPD-Abgeordnete mit Sowjetfahnen, dazwischen die roten Fahnen der Einheitsfront.

„Freiheit!“

Der Ruf wurde von Tausenden ausgestoßen, die zugleich die geballte Faust reckten. Mittendrin erkannte ich Fritz, eins mit der Menge, voller Wut, voller Kraft und voller Entschlossenheit. Und am Rande stand ich – wie immer als Beobachter.

Als würde sich die Geschichte wiederholen.

In der Zeit der Weimarer Republik wurde der Lustgarten unweit des Berliner Stadtschlosses  vor allem von der Arbeiterbewegung  zu politischen Kundgebungen genutzt.

13.06.1932, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Nun bekommt die Regierung tägliche Sendezeit im Rundfunk. Man will näher zum Volk.

Elsa schickte mir ein kleines Büchlein: Kleiner Mann – was nun? von Hans Fallada, das gerade im Rowohlt Verlag erschienen ist. Ich legte es nach kurzer Lektüre zur Seite. Zu schmerzhaft die Erinnerung an Luise, die es auslöst.“

Bei meiner Recherche zur Zeit der Weimarer Republik habe ich nicht nur viel über die Zeit gelesen, sondern ganz besonders und sehr gerne auch Bücher aus dieser Zeit.

Hans Fallada ist 1893 in Greifswald geborgen und  zog Anfang der 30ger Jahre nach Berlin. Sein Verleger, Ernst Rowohlt hatte im dazu geraten. „Kleiner Mann – was nun?“ war sein erster Roman, der auch international beachtet wurde. Hans Falladas sozialkritische Romane beschreiben das Leben des kleinen Mannes in der Zeit der Weimarer Republik.

 

06.11.1932, Sonntag, Wahltag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Wieder Reichstagswahl. Nunmehr die fünfte große Wahl in nur acht Monaten. Ein ruhiger Sonntag. Gespannt erwarten wir den Ausgang der Wahl. Ich weiß vom Vater, dass viele seiner alten Freunde, unter anderem auch Ernst vor Borsig, einen Aufruf mit der Überschrift „Mit Hindenburg für Volk und Reich“ an Hindenburg gesandt haben. Sie sprechen sich darin für die Regierung Franz von Papens, für die DNVP und gegen die NSDAP aus.

31.05.1932, Dienstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Wieder ist Berlin im Aufruhr. Ich war am Morgen vor dem Präsidentenpalais in der Wilhelmstraße. Beim Aufmarsch der Wache begleiteten tausende Nationalsozialisten die Wache auf ihrem Weg durch die Straßen. Heil-Rufe. Goebbels, auf einem Lastauto, versuchte, eine Rede zu halten. Die Schutzpolizei trieb die Menge immer wieder auseinander. Steine wurden geworfen. Schüsse. “                                                

Das Gebiet um die Wilhelmstraße war zur Zeit der Weimarer Republik als Regierungsviertel bekannt. Nach der Machtergreifung richteten sich die Behörden des NS Regimes in der Wilhelmstraße ein. Viele der Regierungsgebäude wurden während des 2. Weltkrieges zerstört. Die Reichskanzlei stand in der Wilhelmstraße, in ihrem Garten lag der Führerbunker. Gedenktafeln mit historischen Portraits weisen heute auf die besondere Bedeutung der Wilhelmstraße hin und immer noch sind viele Regierungsbehörden in und um die Wilhelmstraße ansässig. Es wurde lange diskutiert, ob man die Plattenbauten aus der DDR Zeit abreißen und das Viertel wieder ähnlich wie vor dem 2. Weltkrieg aufbauen soll. Letztlich kam man zu dem Schluss, die Plattenbauten zu erhalten. Ich finde das gut, sie sind schließlich auch Teil unserer Geschichte.

 

 

 

28.02.1933, Dienstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Am Morgen mit Fritz zum Reichstag. Das Gelände um den Reichstag war von Schutzpolizei abgesperrt. Noch immer kohlten die Reste.

Schaulustige diskutierten. Angeblich sei ein holländischer Kommunist der Brandstifter.

Fritz schüttelte wütend den Kopf:

„Die Nationalsozialisten selbst haben das Feuer gelegt, um dann umso härter gegen ihre politischen Feinde vorgehen zu können.“

Die NSDAP spricht von einem Fanal zum blutigen Aufruhr und zum Bürgerkrieg.

Wieder erlässt der Reichspräsident Notverordnungen

20.02.1933, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Werner war in der Galerie und brachte schlechte Nachricht:

„Man hat Heinrich Mann und Käthe Kollwitz gezwungen, aus der Akademie auszutreten. So wurde beiden ihre Unterschrift unter einen Appell, der die Parteien zum Handeln gegen die Nationalsozialisten aufrief, zum Verhängnis.“

Anfangs habe Rust, nunmehr preußischer Kulturminister, sogar die ganze Akademie schließen wollen. Heinrich Mann plant, Deutschland zu verlassen. Ebenso wie Alfred Kerr, der Präsident des deutschen PEN-Klubs

Heinrich Mann lebte seit 1928 in Berlin. Gemeinsam mit Käthe Kollwitz und Albert Einstein unterzeichnete er zweimal, 1932 und 1933, den Appell  zur Aktionseinheit der KPD und der SPD gegen die Nationalsozialisten. Er verließ Deutschland 1933 kurz vor dem Reichstagsbrand.. Im August 1933 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.

Heinrich Mann wohnte in der Fasanenstraße. Eine Gedenktafel an dem Wohnhaus erinnert an ihn.

10.02.1933, Freitag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Hitler sprach im Sportpalast. Wieder konnte der Sportpalast die vielen Menschen nicht aufnehmen.

Die Rede wurde im Rundfunk übertragen. Ich konnte kein konkretes politisches Programm erkennen, aber die Menschen jubelten. Sie haben jemanden gefunden, der ihnen eine bessere Zukunft verspricht. Ein starkes Deutschland, das sich nicht in endlosen Debatten und Kompromissen aufreibt. Hitler gibt den Menschen Hoffnung auf eine radikale Wende. Träger und Erfüller dieser Hoffnung soll nicht eine Partei sein, sondern eine Bewegung, eine Volksgemeinschaft, die die Nation zu neuer Größe führt. Er gibt den Menschen das Gefühl, dass sie der Politik der Parteien nicht ohnmächtig ausgeliefert sind, sondern ihr Schicksal selbst, als Teil dieser mächtigen Gemeinschaft, in die Hand nehmen können. Viele scheinen bereit, dieser vagen Idee der Volksbewegung die Republik zu opfern.

 

 

Der Sportpalast war eine riesige Veranstaltungshalle im Stadtteil Schöneberg  in der in erster Linie Kundgebungen und Sportereignisse ( Sechstagerennen, Boxen) stattfanden . Die Halle wurde 1973 abgerissen und durch triste, mehrstöckige Wohnhäuser ersetzt. Ein Gedenktafel in liebloser, ungepflegter  Umgebung und ein Hinweisschild erinnert an den Sportpalast.

12.11.1933, Sonntag, Wahltag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Das Volk hat das Wort, so betitelt die MoPo den heutigen Wahltag und zeigt die beiden Stimmzettel, mit denen heute abgestimmt wird.

Auf dem Stimmzettel nur eine Partei:

Die Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei.

Darunter in Klammern Hitlerbewegung. Dann die Namen: Adolf Hitler, Rudolph Hess, Wilhelm Frick, Herman Göring, Alfred Hugenberg. So ist also Hugenberg jetzt Mitglied der NSDAP.

Die Presse sagt am Abend, 92,1 Prozent seien für die NSDAP und 95,1 Prozent für den Austritt aus dem Völkerbund. Somit billigt das deutsche Volk ausdrücklich die Regierungsarbeit der NSDAP, wenn man dieser Wahl und denen, die darüber berichten, Glauben schenken kann.

Die Reichstagswahl fand zugleich mit der Volksabstimmung über den Austritt Deutschlands aus dem  Völkerbund statt. Vorangegangen war die Ausschaltung der politischen Gegner der Nationalsozialisten. Zugelassen war nur eine  nationalsozialistische  dominierte  Einheitsliste.

11.05.1933, Donnerstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ein Artikel heute in der MoPo:

Scheiterhaufen auf dem Opernplatz!

Mit der öffentlichen Verbrennung von Büchern fand die Aktion des Studentischen Kampfausschusses ‚Wider den undeutschen Geist’ ihren vorläufigen Abschluss. Gegen Mitternacht wurden nach Reden von Reichsminister Dr. Goebbels und dem Führer des Kreises Brandenburg der deutschen Studentenschaft ein Teil der beschlagnahmten Werke auf dem Opernplatz zu einem Scheiterhaufen aufgebaut und verbrannt. Ähnliche Aktionen fanden in einer ganzen Reihe von deutschen Städten statt. In Köln ist die Bücherverbrennung wegen schlechten Wetters abgesagt

Eigentlich heißt der Opernplatz Bebelplatz.

Das Opernplatz-Areal war am 10. Mai 1933 Hauptschauplatz der Bücherverbrennung. Etwa 70.000 Studenten, Professoren und Mitglieder der SA und SS verbrannten Bücher von als „undeutsch“ bezeichneten Autoren,  u.a. Sigmund Freud, Erich Kästner, Heinrich Mann, Karl Marx und Kurt Tucholsky. Erich Kästner war dabei. als man seine Bücher verbrannte. 

Durch eine gläserne Bodenplatte auf dem Opernplatz blickt man heute in einen  Raum mit leeren, weißen Bücherregalen aus Beton. Die Regale bieten Platz für etwa 20.000 Bücher, so viele sollen damals verbrannt worden sein.