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Heute vor 75 Jahren starb die Künstlerin Käthe Kollwitz

Sie ist mir während meiner Recherche zu Berlin in der Weimarer Republik immer wieder begegnet.
 
Aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“
 
13.10.1923, Sonnabend
Schwarz-Weiß-Ausstellung in Berlin. Max Liebermann eröffnete mit der üblichen bewegenden, etwas launischen Rede. Die Akademie der Künste hat in ihm einen souveränen Präsidenten gefunden.
Käthe Kollwitz ist mit einem Holzschnittzyklus Der Krieg vertreten. Ich weiß, dass sie meine Einstellung zum Krieg teilt und sogar Elsa war von dem Ausdruck der Figuren stark ergriffen.
In der Galerie werden derzeit nur noch grafische Blätter und Lithografien zum Kauf angeboten. Radke schimpft über die Börsengewinnler, diese Neureichen, die mit dem Geld um sich werfen, die ohne den geringsten Kunstsinn versuchen, Kunst anzuhäufen und dabei noch einen ordentlich Gewinn machen wollen. Er weigert sich, ihnen Gemälde zu verkaufen.
„Was ahnen sie schon von der Not der Künstler, die derzeit kaum wissen, wovon sie die Farbe für ihr nächstes Bild kaufen sollen.“
 
 
08.07.1927, Freitag
Im Auftrag Radkes habe ich ein Schmucktelegramm mit Gratulationen für Käthe Kollwitz aufgegeben. Es wundert mich, dass die Künstlerin ihren sechzigsten Geburtstag nicht in der Akademie feiert. Immerhin war sie die erste Frau, die zur Mitgliedschaft in der Akademie aufgefordert wurde.
 
22.07.1932, Freitag
Werner und Fritz waren in der Galerie. Werner unruhig, voller Tatendrang. Fritz eher zurückhaltend, als würde er mich nur widerwillig aufsuchen. Eine Künstlergruppe um Wieland Herzfelde, dem Leiter des Malik-Verlages, plant eine Plakataktion gegen den Terror der Nationalsozialisten. Die Aktion geht nicht von einer Partei aus und wirbt auch nicht für eine Partei, sondern sie ist ausschließlich gegen die Nationalsozialisten gerichtet. Hauptsächlich Bildplakate. Man versucht gerade, Heartfield, Grosz und Käthe Kollwitz dafür zu gewinnen. Herzfelde hat sich bereit erklärt, die literarische Arbeit zu übernehmen. Man hofft, für den Druck und die Plakatwerbung die großen republikanischen Organisationen, Reichsbanner und Eiserne Front zu motivieren. Ich wartete darauf, dass Fritz fragte, ob sich vielleicht Ernst am Druck beteiligen werde. Ich weiß, ich hätte Fritz meine Fürsprache bei Ernst anbieten sollen. Stattdessen schwiegen wir. Beide. Wieder musste ich den Freund enttäuschen.
Was Fritz nicht weiß und ich ihm auch nicht sagen werde: Dass die Plakate der NSDAP durch die Druckerpressen in Ernsts Verlag laufen.
 
20.02.1933, Montag
Werner war in der Galerie und brachte schlechte Nachricht:
„Man hat Heinrich Mann und Käthe Kollwitz gezwungen, aus der Akademie auszutreten. So wurde beiden ihre Unterschrift unter einen Appell, der die Parteien zum Handeln gegen die Nationalsozialisten aufrief, zum Verhängnis.“
Anfangs habe Rust, nunmehr preußischer Kulturminister, sogar die ganze Akademie schließen wollen. Heinrich Mann plant, Deutschland zu verlassen. Ebenso wie Alfred Kerr, der Präsident des deutschen PEN-Klubs.
 
26.08.1933, Sonnabend
Der Erlass des preußischen Kultusministers Rust über die Beziehungen zwischen Schule und Hitlerjugend erklärt die HJ neben Schule und Elternhaus zur dritten Erziehungsinstanz.
Margarete hat mich gestern besucht und erzählte, dass die Kinder zum Schulbeginn einen arischen Nachweis erbringen müssten. Man wolle vermeiden, dass deutsche Kinder mit jüdischem Blut in einer Klasse säßen. Auch werde Elises Schule umbenannt. Sie werde ab Herbst nicht mehr den Namen ‚Käthe Kollwitz‘ tragen. Elise sei sehr traurig darüber, sie habe die Künstlerin sehr gemocht, die von Zeit zu Zeit eine Kunststunde im Lyzeum gehalten habe. Aber man müsse verstehen, dass man die Kinder künftig vor undeutschen, kommunistischen Einflüssen bewahren wolle. Der Direktor wurde schon vor den Sommerferien ausgetauscht.
 
03.11.1933, Freitag
Werner war da, klopfte unangemeldet am späten Abend an die Tür meiner Stube. Er hatte Schnaps und Bier mitgebracht und bat mich um ein Tuch, als er plötzlich heftiges Nasenbluten bekam. Manchmal staune ich, wie lange ein Körper solchen Raubbau, wie Werner ihn betreibt, aushält. Mit der Zigarette zwischen den rissigen Lippen zitierte er Adolf Hitler:
„Wir können uns keinen Wiederaufstieg des deutschen Volkes denken, wenn nicht wieder ersteht auch die deutsche Kultur und vor allem die deutsche Kunst! Hitler hat seinen Säuberungskrieg längst begonnen!“
Werner berichtete von Berufsverboten gegen Käthe Kollwitz, Ernst Barlach, Otto Dix und George Grosz. Ihnen allen habe man die Aufnahme in die Reichskulturkammer versagt. Die Forderung nach einer Säuberung der Museen, ihre Befreiung von entarteter Kunst, werde immer lauter. Bücher haben schon gebrannt. Werner war dabei. Hat miterlebt, wie die Meute gejubelt hat, als man die Werke von Bert Brecht, Sigmund Freud, Erich Kästner, Karl Marx, Heinrich Mann, Klaus Mann, Carl von Ossietzky, Erich Maria Remarque und Kurt Tucholsky dem Feuer übergab. Nicht mehr lange, dann wird es den Werken der Maler auch so ergehen. Wie viel schlimmer und endgültiger wäre eine Bilderverbrennung.
Ich versuchte, ihn zu beruhigen. Die Nationalsozialisten wissen sehr wohl um den materiellen Wert dieser Werke. Geld ist knapp. Wenn sie sich schon der entarteten Kunst entledigen wollten, so sei es dumm, einen Schmitt-Rottluff zu verbrennen, wenn man ihn ebenso gut für Devisen ins Ausland verkaufen kann.