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15.07.1920, Donnerstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Werner und ich haben die Dada-Messe der Galerie Burchard am Lützow-Ufer besucht und dort die surrealen, grotesken Exponate von Rudolf Schlichter, Max Ernst, Otto Dix und George Grosz gesehen.

Radke verurteilte die Ausstellung mit harten Worten:

„Ein Schaffen, das ausnahmslos gegen alles wirkt, das alles bekämpft, alles ins Lächerliche zieht, das keine Blasphemie und Beleidigung auslässt, ist nicht als Kunst zu betrachten. Es ist richtig, dass man versucht, gegen diese Leute vorzugehen. Heartfield und Schlichter gehören wegen Gotteslästerung und Beleidigung vor ein Gericht. Der preußische Erzengel gehört als Müll verbrannt, diese Figur hat absolut nichts mit Kunst zu tun.“

Ich denke, wenn ein Werk die Sicht des Künstlers auf die Beschaffenheit der Welt darstellt, selbst wenn er ungewohnte Mittel wählt, um diese neue, verwirrende Welt dem Betrachter zu vermitteln, dann hat er ein Kunstwerk erschaffen. Selbst wenn diese Kunst den Betrachter schmerzt oder beleidigt. Ich bin gewillt, die Dadaisten als Künstler ernst zu nehmen, allerdings scheint es mir, als würden sich manche selbst nicht ernst nehmen. Eine Kunst, die alles verneint, selbst ihre eigene Berechtigung als Kunst, ist eine schwierige Kunst.

Mich erinnert diese Kunst an den Krieg. Zerfetze, unvollständige Körper. Das Stakkato der dadaistischen Sprache weckt die Erinnerung an das akustische Inferno der Kriegsfront. Es ist aber eine Erinnerung, die ich fliehen möchte, ein Kunsterlebnis, das mir nicht dabei hilft, die Erinnerung an den Krieg zu verarbeiten. Allerdings geben Kritiker an, der Dadaismus wolle weniger den vergangenen Krieg als die gegenwärtige Welt beschreiben. Die hektische Arbeit in den Fabriken, die schrillen Vergnügungen, den zunehmenden Verkehr der Großstädte.

 

Die Erste Internationale Dada-Messe fand im Juli/August 1920 in Berlin statt und wurde von der Galerie Buchard (Lützowufer 13) veranstaltet. Später unterhielt Alfred Flechtheim am Lützowufer 13 eine Kunstgalerie mit überwiegend avantgardistischer Kunst. Leider erinnert vor Ort heute nichts mehr an diese besondere Zeit der großen Galerien und Galeristen.

Kunstwerke des Berliner Dadaismus stellt die Berlinische Galerie aus.

 

 

 

14.06.1925, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Ausstellung Neue Sachlichkeit in der Kunsthalle in Mannheim. Radke bringt ein frühes Gemälde von Ernst Fritsch zur Hängung. Ein farblich intensives Gemälde, das das Alltagsleben in der Berliner Vorstadt thematisiert. Eine gute Werbung für die Galerie. Beckmann, Dix, Grosz und Schlichter sind vertreten. Mich spricht diese fast schon dokumentarische und dabei kühl überzogene Wiedergabe der Realität nicht an. Mir fehlt das Herz in diesen Bildern. Elsa verweilte lange vor Selbstbildnis mit Modell von Schad. Dann meinte sie, dass genau diese Kälte die neue Kunst ausmache.

„Die Maler zeigen exakt die gegenwärtige kalte, herzlose Welt. Menschen, die einander so gut zu kennen scheinen, dass selbst ihre Nacktheit sie nicht mehr überraschen kann. Ihr Blick geht ins Leere. Sie schauen sich nicht an. Eine sachliche Intimität ohne Gefühl.“

Elsa schaute mich nachdenklich an und fügte dann hinzu:

„So erlebe auch ich die Menschen um mich herum. Menschen, die fürchten, Gefühle von sich preiszugeben.“

Die Neue Sachlichkeit ist eine der führenden Kunstrichtungen in der Weimarer Republik.

Die Berlinerische Galerie ist ein relativ junges Museum in Berlin. Sie zeigt Kunstwerke Berliner Künstler von 1870 bis heute.  Sie zeigt Bilder von Max Beckmann, Max LIebermann und Otto Dix. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Kunst der Berliner Künstler, die unter den Repressalien des Nationalsozialismus zu leiden hatten. ( Entartete Kunst)

Auch sehr interessant: Die Sammlung zeitgenössischer  Fotografie der Weimarer Republik, als man gerade begann, die Fotografie als Kunstform wahrzunehmen.

Außerdem: Eine umfangreiche Sammlung zur Neuen Sachlichkeit und zu Dada.