Der Reichsbund der Kriegsbeschädigten hat zur Demonstration im Lustgarten aufgerufen. Tausende ehemalige Soldaten an Krücken und in Rollstühlen waren dort versammelt. Verstümmelte, die Opfer der Granaten und Minen. Von Brandnarben entstellte Menschen. Blinde. Vom nahen Tod gezeichnete Gesichter, Augen in schwarzen Höhlen, die Opfer des Giftgases. Sie klagen die unzureichende Versorgung der Kriegsbeschädigten durch die Regierung an. Aber es geht ihnen um mehr als nur finanzielle Unterstützung. Sie forderten die öffentliche Anerkennung ihrer Opfer-Leistung. Sie forderten Solidarität. Ich stand am Rande, betrachtete die Gesichter, manche zornig, andere müde, resigniert, als sich ein junger Bursche schreiend aus der Versammlung löste. Voller Verzweiflung entfloh er der Menschenmenge. Ohne sichtlichen Grund. Er schien unverletzt. So wie ihm ergeht es vielen. Die äußeren Verletzungen sind längst verheilt. Es sind die Wunden der Seele, die eitrig immer wieder aufbrechen. Eine Mutter zog hastig ihr Kind beiseite. Fast feindselig war die Stimmung der Passanten. Sie reagierten mit Unverständnis und Empörung.
Neben mir hörte ich ein Flüstern:
„Sozialer Versager. Denen fehlt nur der rechte Wille zu praktischer Arbeit.“
Wie kann es sein, dass dieses Land seine Kriegsopfer nicht achtet und die Kriegskrüppel als Schmarotzer und Parasiten diffamiert? Vielleicht, weil sie an die Schmach der Niederlage erinnern? Eine stets präsente Anklage auf den Straßen Berlins? Vielleicht weil die Regierung, die so bestrebt ist, sich vom Krieg zu distanzieren, sich dabei ungewollt auch von den Opfern abwendet?