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Fensterblicke

Bearbeitete Bilder-83Die große Pinnwand ist mit einer Weltkarte bedruckt. Meine Kinder haben sie mir vererbt. Diese Weltkarte ist eines der Fenster in dem kleinen Schreibzimmer unter dem Dach.
Ein Blick auf die ganze Welt.
Nur drei Notizen hängen an dieser Pinnwand. Ich wollte die Weltkarte nicht mit Zetteln zuhängen.
Ein Foto zeigt die schwarze Silhouette eines fliegenden Vogels vor dem blauen, wolkenlosen Himmel. Man erkennt die Gattung nicht, aber ich weiß, es ist eine Möwe. Sie hat mir einen Vormittag lang Gesellschaft geleistet, damals in Holland. Ich habe ein Zitat von Dürrenmatt dazu geschrieben: „Die Wirklichkeit ist nur ein Teil des Möglichen.“
Dies ist mein zweites Fenster, mein zweiter, mein anderer Blick auf die Welt.
Und noch ein Foto habe ich unten in den Südpazifik gepinnt, wo es nichts verdecken kann. Schwarzweiß. Die Vergrößerung eines Bildausschnittes. Grobkörnig. Verschwommen. Ein Stilleben. Es zeigt den Teil einer Küchenkommode aus den 50ger Jahren, darauf eine Tasse, ein Glas, ein Geschirrhandtuch und eine zusammenfaltete Zeitung. Auch dieses Foto habe ich beschriftet: „Was bleibt?“
Mein drittes Fenster, mein Blick in die Vergangenheit.
Und mehr: „Was bleibt“ ist auch der Titel eines Liedes. Immer, wenn ich diese beiden Worte lese, höre ich seine Melodie, erinnere ich mich an seinen Text, öffnet sich für mich ein weiteres Fenster: Das Fenster zu den Liedern eines Liedermachers, dessen Texte mich seit mehr als 20 Jahren begleiten.
Wenn ich von der Pinnwand aufblicke, sehe ich mein liebstes Fenster. Das große Dachfenster mit dem Blick auf den niemals gleichen Himmel. Ich habe es, wie fast immer, einen Spalt geöffnet. Ich mag den geschäftigen Lärm, die Stimmen der spielenden Kinder, das Vogelgezwitscher, das leise stetige Rauschen der Autobahn bei Ostwind, das leise Dröhnen der Baumaschinen vom nahen Industriegebiet, das Brummen des Rasenmähers meines Nachbarn. Der Wind trägt den herben Duft des frischgemähten Grases zu mir nach oben. Und noch etwas liegt in der Luft: jemand kocht ein deftiges Mittagessen. Es riecht nach gebratenen Zwiebeln. Eine gute Idee! Es wird Zeit.
Bevor ich meine kleine Schreibkammer verlasse, noch ein kurzer Blick auf die dritte Notiz an der Pinnwand: ein Din A 4 Blatt: die Kopie eines illustrierten Gedichtes von Wilhelm Busch „Der fliegende Frosch.“ Eine sanfte Mahnung.