24.06.1922, Sonnabend aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Ob sich Geschichte wiederholt?

Ich spazierte mit den Frauen und den Kindern die Uferpromenade entlang, als uns die Menschen auffielen, die sich, wie acht Jahre zuvor, um den Anschlagkasten versammelten und aufgeregt diskutierten. Dann kam uns auch schon der Vater entgegen und meinte, Ernst habe eben telefoniert, Rathenau sei ermordet worden. Auf der Fahrt von seiner Villa in Berlin ins Auswärtige Amt haben die Attentäter auf den Außenminister geschossen. Man vermutet die Organisation Consul hinter dem Anschlag. Selbst der Vater ist erschrocken ob dieses brutalen Mordes. Die Entrüstung und Verbitterung der Menschen ist echt und weitaus heftiger als damals bei der Ermordung des Kronprinzen. Ich hoffe, dass die Linksradikalen nicht Vergeltung üben. Das würde das Reich in einen Bürgerkrieg stürzen und die Regierung endgültig schwächen. Ebert müsste erneut das Militär zu Hilfe rufen. Eine Maßnahme, die Erhardt sehr zupass käme. Sicherlich plant die Organisation unter Ehrhardt immer noch eine Militärdiktatur.

Mich erstaunt, dass Vater das Attentat so vehement verurteilt und sogar zur Beisetzung Rathenaus nach Berlin reisen will. Schließlich war der Außenminister ein überzeugter Anhänger der Republik.“

 

Wir mussten ein bisschen suchen, um den unscheinbaren Gedenkstein, der an das Attentat erinnert zu finden. Rathenau wurde Erdener Straße Ecke Königsallee, als er auf dem Weg ins Auswärtige Amt war, erschossen.