Archiv der Kategorie: Heute Keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik – Spurensuche

Hintergrundinformationen zu Heute keine Schüsse – Weimarer Republik

16.02.1924, Sonnabend aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Grosz muss 6.000 Mark Strafe für Ecce homo zahlen. Aber meine Vermutung war richtig. Der Prozess hat den Künstler erst richtig in der Öffentlichkeit bekannt gemacht. In der Galerie fragt man nach Werken von ihm.

 

Die Werke von George Grosz wurden von den Nationalsozialisten später als „entartete Kunst“ diffamiert. Heute erinnert eine Gedenktafel am Wohnhaus des Künstlers an sein Werk.

08.12.1924, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Es sieht so aus, als möchte das Volk die Republik behalten. Auch wenn keine Partei eine klare Mehrheit erhielt. Nun ist abzuwarten, ob den Parteien auch ohne klare Mehrheitsregierung eine demokratische Regierung gelingt. SPD und DNVP sind die Sieger, Ludendorffs „National sozialistische Freiheitsbewegung“ und die KPD die Verlierer.

01.09.1925, Dienstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ernst Thälmann wird Vorsitzender der KPD. Nun hat auch die kommunistische Partei einen kämpferischen Führer. Ich weiß, Fritz würde Thälmann bedingungslos folgen. Der Kommunist hat den Roten Frontkämpferbund stark gemacht. Ich erinnere mich an eine Parade des Frontkämpferbundes in der Leipziger Straße. Militärisch, diszipliniert, so ganz anders als die anderen Protestmärsche der KPD. Und Thälmann, der Führer, marschierte mit erhobener Faust inmitten seiner Kämpfer.

Ernst Thälmann wurde 1933 verhaftetet, wenige  Tage nach dem Reichstagsbrand. Im August 1944, nach mehr als 11 Jahren Einzelhaft, wurde er erschossen.

Eine Gedenkplatte auf dem Sozialistenfriedhof in Friedrichsfelde erinnert an ihn.

14.06.1925, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Ausstellung Neue Sachlichkeit in der Kunsthalle in Mannheim. Radke bringt ein frühes Gemälde von Ernst Fritsch zur Hängung. Ein farblich intensives Gemälde, das das Alltagsleben in der Berliner Vorstadt thematisiert. Eine gute Werbung für die Galerie. Beckmann, Dix, Grosz und Schlichter sind vertreten. Mich spricht diese fast schon dokumentarische und dabei kühl überzogene Wiedergabe der Realität nicht an. Mir fehlt das Herz in diesen Bildern. Elsa verweilte lange vor Selbstbildnis mit Modell von Schad. Dann meinte sie, dass genau diese Kälte die neue Kunst ausmache.

„Die Maler zeigen exakt die gegenwärtige kalte, herzlose Welt. Menschen, die einander so gut zu kennen scheinen, dass selbst ihre Nacktheit sie nicht mehr überraschen kann. Ihr Blick geht ins Leere. Sie schauen sich nicht an. Eine sachliche Intimität ohne Gefühl.“

Elsa schaute mich nachdenklich an und fügte dann hinzu:

„So erlebe auch ich die Menschen um mich herum. Menschen, die fürchten, Gefühle von sich preiszugeben.“

Die Neue Sachlichkeit ist eine der führenden Kunstrichtungen in der Weimarer Republik.

Die Berlinerische Galerie ist ein relativ junges Museum in Berlin. Sie zeigt Kunstwerke Berliner Künstler von 1870 bis heute.  Sie zeigt Bilder von Max Beckmann, Max LIebermann und Otto Dix. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Kunst der Berliner Künstler, die unter den Repressalien des Nationalsozialismus zu leiden hatten. ( Entartete Kunst)

Auch sehr interessant: Die Sammlung zeitgenössischer  Fotografie der Weimarer Republik, als man gerade begann, die Fotografie als Kunstform wahrzunehmen.

Außerdem: Eine umfangreiche Sammlung zur Neuen Sachlichkeit und zu Dada.

12.07.1925, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Trotz alledem im Schauspielhaus. Das Stück wurde anlässlich des zehnten KPD-Parteitages aufgeführt. Es ist ein eigensinniges, historisches, ja äußerst politisches Stück, in dem Piscator ungewöhnliche dramaturgische Mittel einsetzt. Ich kann mich nicht erinnern, dass zuvor jemand filmische Szenen und darstellende Theaterkunst zusammenführte. Trotz alledem – Piscator selbst deklamierte Karl Liebknechts letzten Text. Ich erinnere mich gut an den Text. Er war in der Roten Fahne abgedruckt am Tage seines Todes. Fritz kannte die Rede auswendig. Ein ergreifendes Manifest.

…leben wird unser Programm; es wird die Welt der erlösten Menschheit beherrschen. Trotz alledem!

Doch Spartakus ist schwach geworden.

Erwin Piscator zeigte im Neuen Schaupielhaus am Nollendorfplatz modernes, politisches Theater. Mit ihm arbeitete u.a. Bertolt Brecht, Thomas Mann, Georg Grosz, Tilla Durieux und John Heartfield. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Schauspielhaus als Varietétheater und zuletzt als Kino und Club weitergeführt. Seit 2014 ist es geschlossen. Eine Gedenktafel erinnert an den Theaterintendanten Erwin Piscator.

 

 

12.05.1925, Dienstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Nur vier Wochen, nachdem man Ebert aus dem Reichspräsidentenpalast getragen hat, zog Hindenburg unter großem Jubel der Menschen als neuer Reichspräsident ein.

Elsa meinte, dass Hindenburg mit Sicherheit diejenigen enttäuschen wird, die von ihm Wunder erwarten. Auch er wird sich außen– und innenpolitisch den Gegebenheiten anpassen müssen und um Kompromisse ringen. An seinen Erfolgen werde man ihn messen, nicht an seinen Versprechungen.

Meine kluge, besonnene Elsa.

 

 

 

Der Reichspräsidentenpalast eigentlich das  Reichspräsidentenpalais war von 1919 bis 1934 der Amtssitz des  Reichspräsidenten.

Das Palais lag auf dem Grundstück Wilhelmstraße Nr. 73.

Das Gebiet um die Wilhelmstraße war zur Zeit der Weimarer Republik als Regierungsviertel bekannt. Nach der Machtergreifung richteten sich die Behörden des NS Regimes in der Wilhelmstraße ein. Viele der Regierungsgebäude wurden während des 2. Weltkrieges zerstört. Die Reichskanzlei stand in der Wilhelmstraße, in ihrem Garten lag der Führerbunker. Gedenktafeln mit historischen Portraits weisen heute auf die besondere Bedeutung der Wilhelmstraße hin und immer noch sind viele Regierungsbehörden in und um die Wilhelmstraße ansässig. Es wurde lange diskutiert, ob man die Plattenbauten aus der DDR Zeit abreißen und das Viertel wieder ähnlich wie vor dem 2. Weltkrieg aufbauen soll. Letztlich kam man zu dem Schluss, die Plattenbauten zu erhalten. Ich finde das gut, sie sind schließlich auch Teil unserer Geschichte.

25.09.1926, Sonnabend aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

An der Polizeikonferenz anlässlich der großen Polizeiausstellung nahmen auch ehemalige Feindstaaten teil. Die Berliner debattierten erregt, ob es richtig war, sie einzuladen. Aber auf den Straßen blieb es ruhig.

Auguste ist mit den Jungen und der kleinen Hilde nach Berlin gekommen. Ich habe sie am Lehrter Bahnhof abgeholt. Sie wollen Mäxchen und Margarete ihre Aufwartung machen.

Mit Paul und Heinrich zur Polizeiausstellung. Besonders die Abteilung Hinrichtungsgeräte mit der Folterkammer hatte es ihnen angetan. Anschließend diskutierten sie beim Eisbecher im Adlon die Methoden der modernen Kriminalistik. Wer möchte als Kind nicht bei einer Mordermittlung vom Auffinden des Opfers bis zur Überführung des Täters dabei sein!

Der fünfzehnjährige Paul meinte:

„Eigentlich ist es schade, dass ich die Werke vom Vater übernehmen muss. So kann ich kein Kriminaler werden.“

Er beneidete Heinrich um die Freiheit seiner Berufswahl. Heinrich, der vor fünf Tagen seinen siebten Geburtstag feierte, meinte, er würde gerne das Erbe seines Vaters übernehmen, es mache bestimmt Spaß, über so viele Menschen zu bestimmen.

„Aber am liebsten wäre ich Verkehrspolizist und würde über den Verkehr der Automobile auf den Straßen wachen!“, setzte er hinzu.

Der Verkehrsturm mit den Lichtsignalen am geschäftigen Potsdamer Platz hat großen Eindruck auf den Jungen gemacht.

 

Heute erinnert eine Nachbildung am Potsdamer Platz an der alten Verkehrsturm.

17.09.1926, Freitag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Die BIZ berichtet, dass die Straßenbahnen für den Winter mit elektrischen Heizkörpern ausgestattet werden. Die Wagen sollen eine Temperatur von mindestens zehn Grad erhalten.

Wer ganz nebenbei etwas über die Geschichte der Berliner Verkehrsbetriebe erfahren möchte, dem sei der U-Bahnhof Klosterstraße empfohlen.

03.09.1926, Freitag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ich habe Elsa als Dank für ihre freundschaftliche Hilfe zur Einweihung des Funkturms eingeladen. Ernst hatte mir seine Einladungskarten überlassen. Margarete hat ihn gebeten, die nächsten Tage in ihrer Nähe zu bleiben. Sie rechnet jederzeit mit ihrer Niederkunft.

Der 138 Meter hohe Turm ist der erste Sende- und Aus­sichts­turm im deutschen Reich. Es gab endlose Lobreden der Politiker, die alle gleich klangen und vergessen waren, sobald sie endeten. Nur das Weihegedicht wird vielleicht in Erinnerung bleiben. Vor vier Tagen hatte das Holzdach des Turmrestaurants gebrannt. Der Schwelbrand entstand durch Lötarbeiten. Ich hoffe, dass dies kein schlechtes Omen ist.

Der Berliner Funkturm ist eine Stahlfachwerkkonstruktion. Er steht im Berliner Ortsteil Westend und wurde 1926 anlässlich der 3. Großen Deutschen Funkausstellung in Betrieb genommen. Seit 1966 steht der Turm unter Denkmalschutz

10.01.1926, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Von meiner Stube aus beobachtete ich, wie bereits am frühen Nachmittag Wagen vor dem Salon Cassirer vorfuhren. Auch Ernst, Radke, Elsa und ich besuchten die Trauerfeier für Paul Cassirer. Der Sarg war in der Mitte des großen Ausstellungssaals aufgebahrt. Überall rote Rosen. Als erster sprach Liebermann. Er benutzte die gleichen Worte wie schon im Nachruf. Danach sprach Graf von Kessler. Er muss Cassirer gut gekannt haben. Es gab Jahre, da sah ich ihn regelmäßig im Salon ein- und ausgehen. Danach hielt Flechtheim seine Trauerrede

Der Kunstsalon Paul Cassirer war von 1901 bis 1933 in der Viktoriastraße in der Nähe des Tiergartens. Neben Ausstellungen fanden dort auch immer wieder Lesungen und Diskussionsrunden zu gesellschaftlichen und politischen Themen statt. Nach dem Tod von Paul Cassirer 1926 übernahmen  seine Mitarbeiter Walter Feilchenfeldt und Grete Ring den Kunstsalon. Die Ausstellungen moderner Kunst im Kunstsalon wurden im Berlin der Weimarer Zeit immer kontrovers diskutiert.

Die Biografie der Familie Cassirer liest sich so spannend wie ein Roman.