Archiv der Kategorie: Heute Keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik – Spurensuche

Hintergrundinformationen zu Heute keine Schüsse – Weimarer Republik

13.06.1926, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Heute wurde das Revolutionsdenkmal auf dem Friedhof Friedrichsfelde enthüllt. Ich habe Frau Brauer eingeladen, mich zu begleiten. Gegeneinander versetzte, dunkle Steinquader, ein Sowjetstern und als Schrift die Worte Rosa Luxemburgs

Ich war. Ich bin. Ich werde sein.

Eine moderne, unkonventionelle Form, die Mies van der Rohe entworfen hat. Ich bezweifele, dass es dem Geschmack der einfachen Arbeiter entspricht. Der Abgeordnete Wilhelm Pieck, der selbst beim Spartakusaufstand 1919 dabei war, nutzte die Enthüllung, um zu Demonstrationen für die Fürstenenteignung aufzurufen.“

Der Zentralfriedhof Friedrichsfelde wird auch „Sozialistenfriedhof“ genannt. Hier wurden in der Zeit der Weimarer Republik viele Sozialdemokraten und Kommunisten begraben. Das Revolutuionsdenkmal von Mies van der Rohe wurde im Januar 1935 von Nationalsozialisten zerstört. 1941 wurde die meisten Gräber geschleift. Man wollte jede Erinnerung an diese Gedenkstätte ausmerzen. Das neue Denkmal mit zahlreichen Informationstafeln zur Zeit der Weimarer Republik wurde 1983 an gleicher Stelle errichtet.

25.11.1926, Donnerstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Herbstausstellung der Akademie der Künste.

Gemälde von Ludwig Kirchner, Otto Dix und George Grosz sowie Zeichnungen von Käthe Kollwitz und Thomas Theodor Heine stehen im Mittelpunkt. Grosz scheint sich nun der Neu­sachlichkeit zuzuwenden. Ist der Dadaismus als Kunstform schon überholt?

 

Das Wohnhaus von George Grosz am Savignyplatz 5 .

Die Kunstwerke aller genannten Künstler galten in der Zeit des Nationalsozialismus als entartet und wurden zu Ausstellungen nicht mehr zugelassen.

 

03.09.1927, Sonnabend aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Mit Ernst zur Eröffnung der Piscator-Bühne am Nollendorfplatz. Ernst Tollers Hoppla, wir leben! wurde aufgeführt.

„Ich will euch eine Geschichte erzählen …“

Und genau dies tut Toller. Er führt uns die Schattenseiten der Weimarer Republik vor Augen. Er zwingt uns zu einem Blick hinter die Fassade von Wohlstand und Vergnügen. Er erzählt von dem düsteren Radikalismus der rechten und linken Intellektuellen, dem politischen Opportunismus der Parteien, von der Unmoral und der wachsenden Armut und Resignation der Arbeiter. Wahrlich eine kritisch gesehene Geschichte der Zeit nach der Revolution. Ein Drama über die gesellschaftlichen Konflikte in der Republik in einer außergewöhnlichen Inszenierung. Eine höchst künstlerische Mischung aus Film und Bühne. Auch das ist Berlin: herausragendes modernes Theater. Auch hier der Gegensatz, der so allgegenwärtig ist in Berlin. Das ist so ganz anders als die Revuen und Tanzbälle.

Eine Gedenktafel am ehemaligen Neuen Schauspielhaus erinnert heute an Erwin Piscator.

01.01.1927, Sonnabend aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Heute Abend dann ging es zum Neujahrs-Kostümball im Bankettsaal des Esplanades. Jazz, Charleston, Shimmy. Berlin im Tanzrausch. Jeder scheint alles daran zu setzen, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Die Lichtspielhäuser haben rund um die Uhr geöffnet. Über zwei Millionen Besucher täglich, heißt es. Dazu die Revue-Paläste, allen voran das Nelson-Theater mit den legendären Nelson-Revuen am Kurfürstendamm, dann die ungezählten Amüsierbetriebe und Clubs.

Das Hotel „Esplanade“ war ein beliebter Treffpunkt der wohlhabenden Berliner Gesellschaft. Es wurde im 2. Weltkrieg zum großen Teil zerstört. Der Potsdamer Platz ist heute mit dem Sony Center ein Wahrzeichen des modernen Berlin. Wer genau hinschaut, kann jedoch noch Reste des alten Hotel Esplanade entdecken. Überreste davon wurden in die Fassade des Sony Centers integriert. Wir durften sogar einen Blick ins Innere werfen.

14.07.1927, Donnerstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Was soll ich zum fünfzigsten Geburtstag des Ullstein Verlages berichten? Wer das neue, große Verlagshaus mit dem imposanten Turm in Tempelhof am Teltowkanal betrachtet, wird schwerlich an dem enormen Einfluss, den Ullstein auf die gesamte Berliner Verlagsgesellschaft hat, zweifeln. Der Verlag hat sich selbst mit dem gelungen Werk 50 Jahre Ullstein ein angemessenes Geschenk gemacht. Ich habe das Buch gleich nach dem Erscheinen erworben, um es Ernst zu schenken. Aber natürlich hat Ernst bereits ein Exemplar vom Hans Ullstein persönlich bekommen. Ich vergesse immer wieder, mit wie vielen Menschen Ernst bekannt ist.

Das Ullsteinhaus in Tempelhof ist ein Baudenkmal des Backsteinexpressionismus. Mit einer Höhe von 77 m  galt es  lange Zeit als das höchste Hochhaus Deutschlands.  Heute beherbergt das Haus verschiedene Dienstleistungsunternehmen.

08.07.1927, Freitag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Im Auftrag Radkes habe ich ein Schmucktelegramm mit Gratulationen für Käthe Kollwitz aufgegeben. Es wundert mich, dass die Künstlerin ihren sechzigsten Geburtstag nicht in der Akademie feiert. Immerhin war sie die erste Frau, die zur Mitgliedschaft in der Akademie aufgefordert wurde.

Käthe Kollwitz lebte bis 1943 in Berlin. 1919 wurde sie als erste Frau als Professorin an die Königliche Akademie der Künste in Berlin berufen. Sie war Mitglied der  Berliner Secession und  engagierte sich für die Arbeiterbewegung. 1933 wurde sie zum Austritt aus der Akademie gezwungen. Sie hatte gemeinsam mit anderen Künstlern u.a. Arnold Zweig, Ernst Toller, Erich Kästner den „Dringenden Appell“ gegen die Nationalsozialisten unterzeichnet. Kähte Kollwitz Werke wurden im Nationalsozialismus als „Entartete Kunst“ aus den Museen entfernt.

Das Käthe Kollwitz Museum in der Fasanenstraße 24 erinnert heute an die Künstlerin.

31.07.1927, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Radke ist nach Hamburg zur Eröffnung der Ausstellung Europäische Kunst der Gegenwart gereist. Er plant, nun doch mehr moderne, nachimpressionistische Künstler unter Vertrag zu nehmen. Gerade die Neue Sachlichkeit und der Konstruktivismus lassen sich in der Schweiz gegenwärtig aus­gezeichnet verkaufen.

 

Die „Neue Sachlichkeit“ schuf nicht nur Werke in der bildenden Kunst, sie prägte auch den Baustil der damaligen Zeit.

Das Kino Babylon am ehemaligen Bülowplatz ( heute Rosa Luxemburg Platz) ist 1928 nach Plänen des Architekten Hans Poelzig im Baustil der „Neuen Sachlichkeit“ entstanden. Bis heute wird es als Kino genutzt.

30.10.1928, Dienstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Durch Ernst bin ich zu einer Einladung zur Abendgesellschaft bei Piscator gekommen. Die Wohnung wurde von Gropius eingerichtet. Sie ist modern, hell und sachlich. Brecht war auch da, wie immer mit Lederkrawatte und Ledermütze. Alle haben ihm zum Erfolg der Dreigroschenoper gratuliert.

 

Erwin Piscator zeigte im Neuen Schaupielhaus am Nollendorfplatz modernes, politisches Theater. Mit ihm arbeitete u.a. Bertolt Brecht, Thomas Mann, Georg Grosz, Tilla Durieux und John Heartfield. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Schauspielhaus als Varietétheater und zuletzt als Kino und Club weitergeführt. Seit 2014 ist es geschlossen. Eine Gedenktafel erinnert an den Theaterintendanten Erwin Piscator.

01.02.1928, Mittwoch aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ein Skandal im Salon Cassirer. Kunstfälschung. Paul Cassirers Mitarbeiter, Walter Feilchenfeldt und Grete Ring, hatten den Salon nach dessen Tod übernommen. Und nun hat Feilchenfeldt einige Werke in der Van Gogh-Ausstellung als Fälschung erkannt.

Der Kunstsalon Paul Cassirer war von 1901 bis 1933 in der Viktoriastraße in der Nähe des Tiergartens. Neben Ausstellungen fanden dort auch immer wieder Lesungen und Diskussionsrunden zu gesellschaftlichen und politischen Themen statt. Nach dem Tod von Paul Cassirer 1926 übernahmen  seine Mitarbeiter Walter Feilchenfeldt und Grete Ring den Kunstsalon. Die Ausstellungen moderner Kunst im Kunstsalon wurden im Berlin der Weimarer Zeit immer kontrovers diskutiert.

Die Biografie der Familie Cassirer liest sich so spannend wie ein Roman.

23.09.1928, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Wider meine innere Überzeugung bin ich zu der großen Kundgebung auf der Hasenheide in Neukölln gegangen. Stahlhelm, die Vaterländischen Verbände und die Deutschnationale Partei protestierten gegen die Außenpolitik der Reichsregierung.

 

Die Hasenheide ist heute wie damals ein Volkspark unweit des Tempelhofer Feldes..