Mit Ernst zur Eröffnung der Piscator-Bühne am Nollendorfplatz. Ernst Tollers Hoppla, wir leben! wurde aufgeführt.
„Ich will euch eine Geschichte erzählen …“
Und genau dies tut Toller. Er führt uns die Schattenseiten der Weimarer Republik vor Augen. Er zwingt uns zu einem Blick hinter die Fassade von Wohlstand und Vergnügen. Er erzählt von dem düsteren Radikalismus der rechten und linken Intellektuellen, dem politischen Opportunismus der Parteien, von der Unmoral und der wachsenden Armut und Resignation der Arbeiter. Wahrlich eine kritisch gesehene Geschichte der Zeit nach der Revolution. Ein Drama über die gesellschaftlichen Konflikte in der Republik in einer außergewöhnlichen Inszenierung. Eine höchst künstlerische Mischung aus Film und Bühne. Auch das ist Berlin: herausragendes modernes Theater. Auch hier der Gegensatz, der so allgegenwärtig ist in Berlin. Das ist so ganz anders als die Revuen und Tanzbälle.
Eine Gedenktafel am ehemaligen Neuen Schauspielhaus erinnert heute an Erwin Piscator.
Heute Abend dann ging es zum Neujahrs-Kostümball im Bankettsaal des Esplanades. Jazz, Charleston, Shimmy. Berlin im Tanzrausch. Jeder scheint alles daran zu setzen, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Die Lichtspielhäuser haben rund um die Uhr geöffnet. Über zwei Millionen Besucher täglich, heißt es. Dazu die Revue-Paläste, allen voran das Nelson-Theater mit den legendären Nelson-Revuen am Kurfürstendamm, dann die ungezählten Amüsierbetriebe und Clubs.
Das Hotel „Esplanade“ war ein beliebter Treffpunkt der wohlhabenden Berliner Gesellschaft. Es wurde im 2. Weltkrieg zum großen Teil zerstört. Der Potsdamer Platz ist heute mit dem Sony Center ein Wahrzeichen des modernen Berlin. Wer genau hinschaut, kann jedoch noch Reste des alten Hotel Esplanade entdecken. Überreste davon wurden in die Fassade des Sony Centers integriert. Wir durften sogar einen Blick ins Innere werfen.
Was soll ich zum fünfzigsten Geburtstag des Ullstein Verlages berichten? Wer das neue, große Verlagshaus mit dem imposanten Turm in Tempelhof am Teltowkanal betrachtet, wird schwerlich an dem enormen Einfluss, den Ullstein auf die gesamte Berliner Verlagsgesellschaft hat, zweifeln. Der Verlag hat sich selbst mit dem gelungen Werk 50 Jahre Ullstein ein angemessenes Geschenk gemacht. Ich habe das Buch gleich nach dem Erscheinen erworben, um es Ernst zu schenken. Aber natürlich hat Ernst bereits ein Exemplar vom Hans Ullstein persönlich bekommen. Ich vergesse immer wieder, mit wie vielen Menschen Ernst bekannt ist.
Das Ullsteinhaus in Tempelhof ist ein Baudenkmal des Backsteinexpressionismus. Mit einer Höhe von 77 m galt es lange Zeit als das höchste Hochhaus Deutschlands. Heute beherbergt das Haus verschiedene Dienstleistungsunternehmen.
Im Auftrag Radkes habe ich ein Schmucktelegramm mit Gratulationen für Käthe Kollwitz aufgegeben. Es wundert mich, dass die Künstlerin ihren sechzigsten Geburtstag nicht in der Akademie feiert. Immerhin war sie die erste Frau, die zur Mitgliedschaft in der Akademie aufgefordert wurde.
Käthe Kollwitz lebte bis 1943 in Berlin. 1919 wurde sie als erste Frau als Professorin an die Königliche Akademie der Künste in Berlin berufen. Sie war Mitglied der Berliner Secession und engagierte sich für die Arbeiterbewegung. 1933 wurde sie zum Austritt aus der Akademie gezwungen. Sie hatte gemeinsam mit anderen Künstlern u.a. Arnold Zweig, Ernst Toller, Erich Kästner den „Dringenden Appell“ gegen die Nationalsozialisten unterzeichnet. Kähte Kollwitz Werke wurden im Nationalsozialismus als „Entartete Kunst“ aus den Museen entfernt.
Das Käthe Kollwitz Museum in der Fasanenstraße 24 erinnert heute an die Künstlerin.
Durch Ernst bin ich zu einer Einladung zur Abendgesellschaft bei Piscator gekommen. Die Wohnung wurde von Gropius eingerichtet. Sie ist modern, hell und sachlich. Brecht war auch da, wie immer mit Lederkrawatte und Ledermütze. Alle haben ihm zum Erfolg der Dreigroschenoper gratuliert.
Erwin Piscator zeigte im Neuen Schaupielhaus am Nollendorfplatz modernes, politisches Theater. Mit ihm arbeitete u.a. Bertolt Brecht, Thomas Mann, Georg Grosz, Tilla Durieux und John Heartfield. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Schauspielhaus als Varietétheater und zuletzt als Kino und Club weitergeführt. Seit 2014 ist es geschlossen. Eine Gedenktafel erinnert an den Theaterintendanten Erwin Piscator.
Ein Skandal im Salon Cassirer. Kunstfälschung. Paul Cassirers Mitarbeiter, Walter Feilchenfeldt und Grete Ring, hatten den Salon nach dessen Tod übernommen. Und nun hat Feilchenfeldt einige Werke in der Van Gogh-Ausstellung als Fälschung erkannt.
Der Kunstsalon Paul Cassirer war von 1901 bis 1933 in der Viktoriastraße in der Nähe des Tiergartens. Neben Ausstellungen fanden dort auch immer wieder Lesungen und Diskussionsrunden zu gesellschaftlichen und politischen Themen statt. Nach dem Tod von Paul Cassirer 1926 übernahmen seine Mitarbeiter Walter Feilchenfeldt und Grete Ring den Kunstsalon. Die Ausstellungen moderner Kunst im Kunstsalon wurden im Berlin der Weimarer Zeit immer kontrovers diskutiert.
Die Biografie der Familie Cassirer liest sich so spannend wie ein Roman.
Wider meine innere Überzeugung bin ich zu der großen Kundgebung auf der Hasenheide in Neukölln gegangen. Stahlhelm, die Vaterländischen Verbände und die Deutschnationale Partei protestierten gegen die Außenpolitik der Reichsregierung.
Die Hasenheide ist heute wie damals ein Volkspark unweit des Tempelhofer Feldes..
Werner ist wieder aufgetaucht. Noch hagerer. Und, wie mir scheint, noch mehr dem Kokain verfallen. Tiefschwarze Augenringe. Das Gesicht so bleich, als hätte er Puder aufgelegt. Es fällt ihm schwer, still zu sitzen. Ob ich wohl eine Zigarette für ihn hätte. Als ich verneinte, fragte er nach Bier. Ich solle unbedingt den Künstler Scholz aufsuchen, sagte er. Er betreibe ein Atelier am Nollendorfplatz.
„Ein Expressionist. Aber keiner von der angepassten Sorte. …
Den Nollendorfplatz habe ich nicht zufällig ausgewählt. Viele Berliner Künstler wohnten zur Zeit der Weimarer Republik in dieser Gegend, u.a. Max Beckmann. Erich Kästners Kinderbuch „Emil und die Detektive“ (1929) spielt in der Umgebung des Nollendorfplatzes.
Elsa lud mich zur Eröffnung der Maillol-Ausstellung bei Flechtheim ein. Ich glaube, dass es die Werke Maillols in ihrer Ästhetik durchaus mit den großen Bildhauern aufnehmen können. Danach aßen wir auf den Rheinterrassen im Haus Vaterland. Elsa hatte einen Tisch reserviert. Nach dem Essen schob sie mir ein Schreiben zu:
Das Cafè Vaterland im Haus Vaterland war ein beliebter Künstlertreff. Das Haus Vaterland selbst war ein riesiger Gaststättenbetrieb, den man heute wohl unter „Erlebnisgastronomie“ einordnen würde.
Leider gibt es am Potsdamerplatz keinerlei Spuren des imposanten Gebäudes mehr. Aber das Konzept der Erlebnisgastronomie mit zahlreichen Restaurants und Kinos wurde im SonyCenter an gleicher Stelle fortgeschrieben.
Phillip lud mich zur Kundgebung der NSDAP im Berliner Sportpalast ein. Dort, wo Max Schmeling von tausenden seiner Fans bejubelt wurde, wo schon Thälmann und Brüning gesprochen haben, wo jedes Jahr das Sechstagerennen stattfindet, dort wollte nun auch Hitler zu seinen Anhängern sprechen. Ich fuhr tatsächlich nach Schöneberg. Ich wollte sehen, wer den Plakaten mit der Ankündigung der Rede folgte. Menschenströme. Zu Fuß, mit der Elektrischen oder im eigenen Wagen mit Chauffeur. Viel Jungvolk. Arbeiter. Angestellte. Bestimmt sind nicht alle Anhänger der NSDAP. Sicherlich viele Neugierige, so wie ich. Schon bald fanden die Menschen drinnen keinen Platz mehr. Vor dem Sportpalast herrschte eine gespannte Stimmung. Braunhemden gegen den Roten Frontkämpferbund.
Später berichtete der Lokalanzeiger von Gewalt und Verletzten. Hitlers Rede hatte die Stimmung aufgeheizt.
Der Sportpalast war eine riesige Veranstaltungshalle im Stadtteil Schöneberg in der in erster Linie Kundgebungen und Sportereignisse ( Sechstagerennen, Boxen) stattfanden . Die Halle wurde 1973 abgerissen und durch triste, mehrstöckige Wohnhäuser ersetzt. Ein Gedenktafel in liebloser, ungepflegter Umgebung und ein Hinweisschild erinnern an den Sportpalast.
Manchmal ändern sich unsere Ansichten, wenn wir genauer hinsehen.