Schlagwort-Archive: Weimarer Republik

09.10.1919, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Berlin ist noch nicht sicher. Das BT berichtet, auf Hugo Haase von der USPD sei geschossen worden. Ein Attentat direkt vor dem Gebäude des Deutschen Reichstags.

 

Hugo Haase starb an den Folgen dieses Attentats. Ein Gedenkstein auf dem Sozialistenfriedhof in Friedrichsfelde erinnert an ihn.

08.11.1919 aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Zu Mittag haben Ernst und ich in der Markgrafenstraße Radkes Einladungsliste besprochen.

Ernst sagte mir, dass Hugo Haase gestern gestorben sei. Angeblich habe ein Geisteskranker geschossen. Aber niemand glaubt diese Version. So wird Mord zum Mittel des politischen Disputs und mir scheint, das Volk gewöhnt sich daran.

Trotz der eisigen Kälte und des schmerzenden Knies spazierte ich mit Margarete und den beiden Mädchen zur Spree. Es war ein liebliches Bild, wie die kleine Elise ihr Schwesterchen im Kinderwagen schob, sorgsam darauf bedacht, dass das Gefährt dem Ufer der Spree nicht zu nahe kam. Margarete wird langsam mit Berlin vertraut. Sie erzählte, dass Frau Radke sie in ihre Kreise eingeführt habe:

Hugo Haase starb an den Folgen eines Attentats. Ein Gedenkstein auf dem Sozialistenfriedhof in Friedrichsfelde erinnert an ihn.

09.11.1919, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Revolutionsfeiertag.

Vor einem Jahr hat Scheidemann die Deutsche Republik ausgerufen.

Noch ist es unmöglich, das Ganze zu übersehen. Wird es der Regierung gelingen, das Chaos zu bewältigen? Die Nationalversammlung ist innerlich zerrissen. Parteien, die einander hassen und bekriegen. Dabei müssten sie jetzt zusammenstehen, um gegen die Verelendung der Massen zu kämpfen. Überall Arbeitslose. Kurzarbeit, Entlassungen, Schließungen. Wer Arbeit hat, wird ausgebeutet. Es gab in den letzten Monaten keinen Tag ohne Streik.

13.01.1920, Dienstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Die Arbeiter demonstrierten am Mittag auf dem Königsplatz. Sie fürchten um ihre Rechte. Es war eine große Menschenmenge, Männer und Frauen. Selbst auf meinem Heimweg durch den Tiergarten traf ich noch auf Demonstranten. Die Stimmung war angespannt und gereizt, auch Schüsse fielen.

Später berichtete das Berliner Abendblatt von zweiundvierzig Toten und vielen Verletzten. Politiker von USPD und KPD wurden verhaftet.

Auf dem Königsplatz, dem heutigen Platz der Republik  ( hier vom Reichstagsgebäude aus betrachtet ) stand damals die Siegessäule.  Sie wurde während der Herrschaft der Nationalsozialisten auf ihren heutigen Standort auf den Stern im  Berliner Tiergarten versetzt.

Zur Zeit wird in Berlin diskutiert, ob man das Einheitsdenkmal, die sogenannte Einheitswippe, auf den Platz  vor den Reichstagsgebäude  baut.

06.06.1920, Sonntag, Wahltag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Heute wurde die erste republikanische Reichstag gewählt. Mir scheint, dass weniger zur Wahl gingen als vor eineinhalb Jahren. Die Straßen waren ungewöhnlich ruhig für Berlin an diesem Morgen“

Es war die zweite Wahl in der Weimarer Republik und die erste Wahl zu einem deutschen Reichstag.Schon zu diesem Zeitpunkt mussten die Parteien der Weimarer Koalition um Stimmen kämpfen.
„Die Wahl zeigt, wie unzufrieden das Volk mit der Regierung ist. Diejenigen, die die Republik tragen sollen, die Parteien der Weimarer Koalition, schreiben die meisten Verluste.“

 

15.07.1920, Donnerstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Werner und ich haben die Dada-Messe der Galerie Burchard am Lützow-Ufer besucht und dort die surrealen, grotesken Exponate von Rudolf Schlichter, Max Ernst, Otto Dix und George Grosz gesehen.

Radke verurteilte die Ausstellung mit harten Worten:

„Ein Schaffen, das ausnahmslos gegen alles wirkt, das alles bekämpft, alles ins Lächerliche zieht, das keine Blasphemie und Beleidigung auslässt, ist nicht als Kunst zu betrachten. Es ist richtig, dass man versucht, gegen diese Leute vorzugehen. Heartfield und Schlichter gehören wegen Gotteslästerung und Beleidigung vor ein Gericht. Der preußische Erzengel gehört als Müll verbrannt, diese Figur hat absolut nichts mit Kunst zu tun.“

Ich denke, wenn ein Werk die Sicht des Künstlers auf die Beschaffenheit der Welt darstellt, selbst wenn er ungewohnte Mittel wählt, um diese neue, verwirrende Welt dem Betrachter zu vermitteln, dann hat er ein Kunstwerk erschaffen. Selbst wenn diese Kunst den Betrachter schmerzt oder beleidigt. Ich bin gewillt, die Dadaisten als Künstler ernst zu nehmen, allerdings scheint es mir, als würden sich manche selbst nicht ernst nehmen. Eine Kunst, die alles verneint, selbst ihre eigene Berechtigung als Kunst, ist eine schwierige Kunst.

Mich erinnert diese Kunst an den Krieg. Zerfetze, unvollständige Körper. Das Stakkato der dadaistischen Sprache weckt die Erinnerung an das akustische Inferno der Kriegsfront. Es ist aber eine Erinnerung, die ich fliehen möchte, ein Kunsterlebnis, das mir nicht dabei hilft, die Erinnerung an den Krieg zu verarbeiten. Allerdings geben Kritiker an, der Dadaismus wolle weniger den vergangenen Krieg als die gegenwärtige Welt beschreiben. Die hektische Arbeit in den Fabriken, die schrillen Vergnügungen, den zunehmenden Verkehr der Großstädte.

 

Die Erste Internationale Dada-Messe fand im Juli/August 1920 in Berlin statt und wurde von der Galerie Buchard (Lützowufer 13) veranstaltet. Später unterhielt Alfred Flechtheim am Lützowufer 13 eine Kunstgalerie mit überwiegend avantgardistischer Kunst. Leider erinnert vor Ort heute nichts mehr an diese besondere Zeit der großen Galerien und Galeristen.

Kunstwerke des Berliner Dadaismus stellt die Berlinische Galerie aus.

 

 

 

20.06.1921, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Radke ist mit den Kunstmappen einverstanden. Aber das Journal lehnt er ab. Er möchte kein Blatt, das Kunst mit Sport und schlüpfrigen Revuedarbietungen verbindet. Der Querschnitt sei billiges Judenwerk, dem man ganz bestimmt nicht folgen müsse.“

Alfred Flechtheim, angesehener Galerist, Kunsthändler, Kunstsammler  und Verleger in Berlin war ein Förderer insbesondere der  avangardistischen Kunst. Mit dem „Querschnitt“ beschritt er neue Wege, indem er populär gesellschaftliche Themen aus Sport und Varieté mit Berichten über Kunst in einer Kunstzeitschrift vereinte. Der Jude Alfred Flechtheim erkannte die Gefahr des Nationalsozialismus schon früh. Sein Engagement für die Moderne Kunst führte außerdem zu ständigen Anfeindungen durch die Nationalsozialisten, so dass er Deutschland bereits im Mai 1933 verließ.

Alfred Flechtheim unterhielt eine Kunstgalerie am Lützowufer13, in der ehemaligen Galerie Burchard, wo 1920 die erste Dada-Messe stattfand. Die Biografie Alfred Flechtheims liest sich wie ein Roman und überzeugt durch zahlreiche farbige Abbildungen der Kunstwerke aus seiner Sammlung.

11.08.1921 aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Elsa, Margarete, die Mädchen und ich waren bei der Feier des Verfassungstages zum Reichstag. Vor dem Reichstag ein Volksfest mit Militärmusik. Die Kinder scharten sich um einen Straßenhändler, der in einem Glaskasten über offener Flamme Maiskörner röstete. Schneeflocken. Mit Himbeersirup übergossen sind sie die neue Köstlichkeit dieses Sommers. Ein buntes Fest. Die Menschen trugen leichte Sommerkleider. Zwei riesige Masten mit schwarz-rot-goldenen Fahnen schmückten den Platz. Alle Türen des Reichstags waren geöffnet. Ernst war drinnen, um für die Illustrierte Wochenzeitung zu berichten.

Stellt Euch den riesigen Platz vor dem Reichstag voller Menschen vor. Der Verfassungstag war im Berlin der Weimarer Zeit zumindest in den ersten Jahren ein großes Volksfest. Später kamen dann immer mehr auch  Demonstrationen und Ausschreitungen am Verfassungstag dazu.

Wer nicht für den Markt schreibt, darf sich nicht wundern, wenn der Markt ihn ignoriert

„Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“  wurde veröffentlicht. Als Hardcover, Softcover und eBook. Dabei musste ich gleich einmal lernen, dass es nicht verkaufsfördernd ist, wenn ich das Buch zu billig anbiete. Zumindest nicht, wenn ich die leise Hoffnung hege, dass eine Buchhandlung das Buch ins Sortiment nimmt.                            Buchhändler bekommen einen bestimmten Prozentsatz vom Buchpreis und verdienen daher an billigen Büchern fast nichts, da lohnt für sie  ganz einfach der Aufwand nicht.                                                                                                                     Das habe ich eingesehen. Ein Blick auf Amazon zeigt außerdem, dass „billig“ nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal ist. Und so ist das Softcover (Format DIN 5) für 16,99 € im Handel. Ein stolzer Preis. Aber es stecken auch viele Informationen und jede Menge Autorenarbeit in den 400 Seiten. Und wer es billiger mag, kann zum eBook greifen -eine echte Preisalternative für 5,99.

 

Selfpublishing heißt, dass ich nicht nur für Cover, Buchsatz  und Lektorat verantwortlich bin, es bedeutet auch, dass ich das Buch an den Leser/in bringen muss.                                                                                   „Sichtbarkeit“ das Zauber-Wort, bei dem ich während meiner Suche nach dem Schlüssel zum (Verkaufs)-Erfolg immer wieder gestoßen bin.                                                                                 Aber Wo mache ich das Buch sichtbar, wenn mir nicht die Werbemittel der Verlage zur Verfügung stehen?                                          Über Buchmessen und Lesungen werde ich berichten, wenn ich im Herbst erste  Erfahrungen damit gesammelt habe.

Das Thema „Rezensionen“ habe ich mit viel Elan gestartet. Die Leserunde bei Lovelybooks läuft und macht richtig Spaß. Ich habe  einige Buchblogger angeschrieben von denen ich meine, dass ein historischer Roman über die Weimarer Republik zu ihrem Blog passen könnte – und warte derzeit auf Antwort.

Was mir richtig viel Kopfzerbrechen, Arbeit und teilweise Frust bereitet, ist das Social Marketing – also die Werbung und mein Auftritt in den sozialen Netzwerken. Okay: Ich habe ein Buch geschrieben und ich nutzte die Foren und Communities auf Facebook und Google + um allen kundzutun, dass ich ein Buch über die Weimarer Republik geschrieben habe und ich mache das Buch durch Lesehäppchen und gezielte Postings  in Gruppen interessant. Auf jeden Fall versuche ich das. Aber irgendwie beschleichen mich leise Zweifel, dass ich im Social Marketing verkaufstechnisch auch nur einen ganz kleinen Fuß in die Tür kriegen werde. Eine  Umfrage unter Autoren-Kollegen hat ergeben, dass ich wohl schon beim Schreiben des Buches den entscheidenden Fehler gemacht habe: Ich habe nicht für den Markt geschrieben. Kein Wunder also, dass mich der Markt ignoriert. Ich kann das Argument sogar nachvollziehen. Aber wenn alle immer nur das schreiben, was der Markt mag, wer schreibt dann das, was der Markt noch gar nicht kennt?  Natürlich ist es einfacher, auf einen bereits fahrenden Zug aufzuspringen, als ihn selbst in Bewegung zu setzen. Aber es muss doch auch eine Form von Social Marketing geben für Bücher, die nicht den Mainstream bedienen nur dass man danach anscheinend nicht fragen darf, so nach dem Motto: Wer nicht für den Markt schreibt, ist selbst schuld, wenn das mit dem Marketing nicht klappt.

Ich habe jetzt beschlossen: Wenn ich schon Social Marketing betreibe, dann nur und ausschließlich auf eine Art und Weise, die mir auch Spaß macht. Falls  „Heute keine Schüsse“ nichts davon hat, will wenigstens ich etwas davon haben.