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Die Wirklichkeit ist nur ein Teil des Möglichen. Dürrenmatt

13.10.1921, Donnerstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Spät am Abend, bei einem Spaziergang zum Brandenburger Tor, erzählte Elsa, Phillip habe seinem Vater eine Nachricht mittels Bote gesandt.

„Es geht mir gut“, schrieb er, „ich lebe mit ehrhaften Kameraden zusammen. Uns verbinden die Idee und das Streben nach einem freien, stolzen, starken deutschen Reich. Ihr müsst Verständnis haben, dass ich über meine Pläne oder Aufenthaltsorte nicht berichten darf.“

Er bittet seinen Vater, ihm zu vertrauen. Phillip sei überzeugt, den richtigen Weg zu gehen, meinte Elsa.

 

Wer nicht für den Markt schreibt, darf sich nicht wundern, wenn der Markt ihn ignoriert

„Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“  wurde veröffentlicht. Als Hardcover, Softcover und eBook. Dabei musste ich gleich einmal lernen, dass es nicht verkaufsfördernd ist, wenn ich das Buch zu billig anbiete. Zumindest nicht, wenn ich die leise Hoffnung hege, dass eine Buchhandlung das Buch ins Sortiment nimmt.                            Buchhändler bekommen einen bestimmten Prozentsatz vom Buchpreis und verdienen daher an billigen Büchern fast nichts, da lohnt für sie  ganz einfach der Aufwand nicht.                                                                                                                     Das habe ich eingesehen. Ein Blick auf Amazon zeigt außerdem, dass „billig“ nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal ist. Und so ist das Softcover (Format DIN 5) für 16,99 € im Handel. Ein stolzer Preis. Aber es stecken auch viele Informationen und jede Menge Autorenarbeit in den 400 Seiten. Und wer es billiger mag, kann zum eBook greifen -eine echte Preisalternative für 5,99.

 

Selfpublishing heißt, dass ich nicht nur für Cover, Buchsatz  und Lektorat verantwortlich bin, es bedeutet auch, dass ich das Buch an den Leser/in bringen muss.                                                                                   „Sichtbarkeit“ das Zauber-Wort, bei dem ich während meiner Suche nach dem Schlüssel zum (Verkaufs)-Erfolg immer wieder gestoßen bin.                                                                                 Aber Wo mache ich das Buch sichtbar, wenn mir nicht die Werbemittel der Verlage zur Verfügung stehen?                                          Über Buchmessen und Lesungen werde ich berichten, wenn ich im Herbst erste  Erfahrungen damit gesammelt habe.

Das Thema „Rezensionen“ habe ich mit viel Elan gestartet. Die Leserunde bei Lovelybooks läuft und macht richtig Spaß. Ich habe  einige Buchblogger angeschrieben von denen ich meine, dass ein historischer Roman über die Weimarer Republik zu ihrem Blog passen könnte – und warte derzeit auf Antwort.

Was mir richtig viel Kopfzerbrechen, Arbeit und teilweise Frust bereitet, ist das Social Marketing – also die Werbung und mein Auftritt in den sozialen Netzwerken. Okay: Ich habe ein Buch geschrieben und ich nutzte die Foren und Communities auf Facebook und Google + um allen kundzutun, dass ich ein Buch über die Weimarer Republik geschrieben habe und ich mache das Buch durch Lesehäppchen und gezielte Postings  in Gruppen interessant. Auf jeden Fall versuche ich das. Aber irgendwie beschleichen mich leise Zweifel, dass ich im Social Marketing verkaufstechnisch auch nur einen ganz kleinen Fuß in die Tür kriegen werde. Eine  Umfrage unter Autoren-Kollegen hat ergeben, dass ich wohl schon beim Schreiben des Buches den entscheidenden Fehler gemacht habe: Ich habe nicht für den Markt geschrieben. Kein Wunder also, dass mich der Markt ignoriert. Ich kann das Argument sogar nachvollziehen. Aber wenn alle immer nur das schreiben, was der Markt mag, wer schreibt dann das, was der Markt noch gar nicht kennt?  Natürlich ist es einfacher, auf einen bereits fahrenden Zug aufzuspringen, als ihn selbst in Bewegung zu setzen. Aber es muss doch auch eine Form von Social Marketing geben für Bücher, die nicht den Mainstream bedienen nur dass man danach anscheinend nicht fragen darf, so nach dem Motto: Wer nicht für den Markt schreibt, ist selbst schuld, wenn das mit dem Marketing nicht klappt.

Ich habe jetzt beschlossen: Wenn ich schon Social Marketing betreibe, dann nur und ausschließlich auf eine Art und Weise, die mir auch Spaß macht. Falls  „Heute keine Schüsse“ nichts davon hat, will wenigstens ich etwas davon haben.

22.01.1922, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ernst ist nach Tempelhof gefahren, um über den Brand im Sarotti-Werk am Teltowkanal zu berichten. Seit zwei Tagen schon brennt das Fabrikgebäude und kann anscheinend nicht gelöscht werden. Das BT meldet, dass hunderte von Arbeitern verletzt wurden.

Margarete macht sich Sorgen. Sie hätte Ernst gerne noch im Haus behalten, er ist immer noch nicht ganz genesen. Er hatte sich bei den Mädchen angesteckt. Mehr als zwei Wochen lag er mit den Pocken und hohem Fieber.

Die Teilestraße ist eine Industriestraße im  Industriegebiet  Tempelhof-Ost am Teltowkanal.  An der Straße liegen mehrere  denkmalgeschützte  Fabrikanlagen, unter anderem auch die Gebäude der Sarotti-Werke . Irgendwie dachte ich ja, da würde noch ein Sarotti-Mohr rumsitzen. Aber die Hausnummer hat gestimmt.

21.02.1922, Dienstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ich habe die Ausstellung über die Auswirkungen des Versailler Friedensvertrages in der Wilhelmstraße besucht. Die Liga zum Schutze der deutschen Kultur legt dar, wie die Forderungen des Vertrages das Deutsche Reich in den Ruin treiben werden. Ein düsteres Bild der Zukunft, das den Berlinern da gezeigt wird. Alle Zeitungen berichten. Kaum eine ergreift gegen die Liga das Wort. Auch ich wüsste nicht, was ich der Ausstellung entgegensetzen könnte.

Die Menschen verließen die Ausstellung traurig, manche wütend. Keine gute Werbung für die Arbeit der Regierung.

Das Gebiet um die Wilhelmstraße war zur Zeit der Weimarer Republik als Regierungsviertel bekannt. Nach der Machtergreifung richteten sich die Behörden des NS Regimes in der Wilhelmstraße ein. Viele der Regierungsgebäude wurden während des 2. Weltkrieges zerstört. Die Reichskanzlei stand in der Wilhelmstraße, in ihrem Garten lag der Führerbunker. Gedenktafeln mit historischen Portraits weisen heute auf die besondere Bedeutung der Wilhelmstraße hin und immer noch sind viele Regierungsbehörden in und um die Wilhelmstraße ansässig. Es wurde lange diskutiert, ob man die Plattenbauten aus der DDR Zeit abreißen und das Viertel wieder ähnlich wie vor dem 2. Weltkrieg aufbauen soll. Letztlich kam man zu dem Schluss, die Plattenbauten zu erhalten. Ich finde das gut, sie sind schließlich auch Teil unserer Geschichte.

25.06.1922, Sonntag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ernst erzählte von Massendemonstrationen im Lustgarten. Mehr als zweihunderttausend Menschen wollten den deutschnationalen Helferich wegen seiner Hetze gegen Rathenau zur Verantwortung ziehen. Helferich hatte noch am Vortag des Attentats die Außenpolitik Rathenaus öffentlich als Vaterlandsverrat gebrandmarkt. Die Zeitungen berichten von der bewegenden, aufrüttelnden Rede des Reichskanzlers Wirth, die mit stürmischem Beifall aufgenommen wurde:

Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!

Wirth klagt zu Recht die hemmungslose Hetze der rechtsgerichteten Presse an. Er wirft ihnen vor, mittelbar am Mord des Außenministers schuldig geworden zu sein.“

In der Zeit der Weimarer Republik wurde der Lustgarten unweit des Berliner Stadtschlosses  vor allem von der Arbeiterbewegung  zu politischen Kundgebungen genutzt.

24.06.1922, Sonnabend aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

„Ob sich Geschichte wiederholt?

Ich spazierte mit den Frauen und den Kindern die Uferpromenade entlang, als uns die Menschen auffielen, die sich, wie acht Jahre zuvor, um den Anschlagkasten versammelten und aufgeregt diskutierten. Dann kam uns auch schon der Vater entgegen und meinte, Ernst habe eben telefoniert, Rathenau sei ermordet worden. Auf der Fahrt von seiner Villa in Berlin ins Auswärtige Amt haben die Attentäter auf den Außenminister geschossen. Man vermutet die Organisation Consul hinter dem Anschlag. Selbst der Vater ist erschrocken ob dieses brutalen Mordes. Die Entrüstung und Verbitterung der Menschen ist echt und weitaus heftiger als damals bei der Ermordung des Kronprinzen. Ich hoffe, dass die Linksradikalen nicht Vergeltung üben. Das würde das Reich in einen Bürgerkrieg stürzen und die Regierung endgültig schwächen. Ebert müsste erneut das Militär zu Hilfe rufen. Eine Maßnahme, die Erhardt sehr zupass käme. Sicherlich plant die Organisation unter Ehrhardt immer noch eine Militärdiktatur.

Mich erstaunt, dass Vater das Attentat so vehement verurteilt und sogar zur Beisetzung Rathenaus nach Berlin reisen will. Schließlich war der Außenminister ein überzeugter Anhänger der Republik.“

 

Wir mussten ein bisschen suchen, um den unscheinbaren Gedenkstein, der an das Attentat erinnert zu finden. Rathenau wurde Erdener Straße Ecke Königsallee, als er auf dem Weg ins Auswärtige Amt war, erschossen.

27.07.1922 aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Nach einem ausgedehnten Mittagsmahl im Adlon sind Ernst und ich trotz dunkler Regenwolken Richtung Spreeinsel spaziert. Unter den Linden bot ein Schuhputzer seine Dienste an. Das Messingschild und die Nummer auf seiner Mütze zeigten, dass er eine amtliche Genehmigung zur Ausübung seines Gewerbes hatte. Ihn darf die Sipo hier nicht vertreiben. Mit blinkenden Schuhen spazierten wir weiter zur Museumsinsel. Dieses wunderbare Eiland inmitten Berlins beherbergt in seinen öffentlichen Museen viele der bedeutendsten historischen Kunstschätze der Stadt. Ganz an der nördlichen Spitze der Insel das Kaiser-Friedrich-Museum. Hier hat Wilhelm Bode eine wirklich außerordentliche Skulpturen- und Gemäldesammlung kuratiert.

Die Museumsinsel beherbergt auch heute noch einige der berühmtesten Museen Berlins. Das Alte Museum ((Antikensammlung), das Neue Museum (mit der Büste der ägyptischen Königin Nofretete), das beeindruckende Pergamonmuseum (mit der Säulenhalle des Königs Sahure),  die alte Nationalgalerie ( mit Skulpturen und Gemälden des 19. Jahrhunderts) und schließlich das Bode-Museum  zählen jährlich mehr als 2 Millionen Besucher.

20.01.1923, Sonnabend aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ganz Berlin schien sich zur Treuekundgebung für die Brüder an der Ruhr auf dem Königsplatz versammelt zu haben. Die Berliner feierten ein großes Volksfest. 400 Sänger standen auf der Freitreppe des Reichstags.

Es gab bittere Worte gegen die Besatzer:

Franzosen! Mit Tanks, Kanonen und 100.000 wohlgenährten, schwerbewaffneten Soldaten seid ihr in Friedenszeit in unser friedliches Ruhrgebiet eingedrungen. Wie im Kriege haust ihr bei uns!!

Auf dem Königsplatz, dem heutigen Platz der Republik  stand damals die Siegessäule.  Sie wurde während der Herrschaft der Nationalsozialisten auf ihren heutigen Standort auf den Stern im Berliner Tiergarten versetzt.

Zur Zeit wird in Berlin diskutiert, ob man das Einheitsdenkmal, die sogenannte Einheitswippe, auf den Platz  vor den Reichstagsgebäude  baut.

24.05.1923, Donnerstag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Die Ruhrbesetzung und die Sorge um die Mark nehmen mein ganzes Denken ein. Mir fällt es schwer, mich anderen Dingen zu widmen. In der Galerie gibt es wenig zu tun und wir planen keine neue Ausstellung. Ich warte und weiß nicht, worauf.

So war es gut, dass Ernst darauf bestand, dass ich ihn zur Premiere in die Berliner Volksbühne ins Scheunenviertel begleitete.  Ernst Barlachs Drama Der tote Tag wurde aufgeführt. Ein schweres, düsteres Werk, das den Zuschauer ohne einen Lichtstrahl der Hoffnung zurücklässt. Das Publikum schwieg ergriffen nach dem letzten Vorhang.

 

Die Volksbühne Berlin ist am ehemaligen Bülowplatz.

Am Bülowplatz im Scheunenviertel in Berlin-Mitte kann man gut Geschichtliches während und nach der Weimarer Republik nachverfolgen. Er war immer Schauplatz der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Parteien und Organisationen. Über das Scheunenviertel könnte man einen eigenen Roman schreiben. Es war ein typisches Arbeiterviertel mit Mietkasernen. Die Borsigwerke lagen gleich daneben. Die berüchtigten Ringvereine der Zwanziger Jahre waren (nicht nur) im Scheunenviertel zu Hause. Heute ist keine der ehemaligen Scheunengassen mehr in ihrer ursprünglichen Form erhalten.

Am Bülowplatz selbst steht das Karl Liebknecht Haus, seit 1926 Sitz der KPD und heute Parteizentrale der „Linke“. Die Berliner Volksbühne ist seit 1915 am Bülowplatz beheimatet. 1929 eröffnete an diesem Platz das berühmte Kino Babylon.

Nach dem Aufstieg des Nationalsozialismus wurde der Platz 1933 in Horst Wessel Platz umbenannt zur Erinnerung an Horst Wessel, Sturmführer der SA , einer der „ersten Märtyrer“ des Nationalsozialismus. Nach dem 2. Weltkrieg  hieß der Platz zunächst Liebknechtplatz, dann Luxemburg Platz und schließlich ab 1969 Rosa Luxemburg Platz.

„Denkzeichen“ am Boden des Platzes mit ZItaten von Rosa Luxemburg erinnern an die Weggefährtin Karl Liebknechts. Außerdem weist eine Infotafel auf die ehemalige Bedeutung des Scheunenviertels hin.