Schlagwort-Archive: Karl Liebknecht Haus

01.03.1930, Sonnabend aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

So hat die nationalsozialistische Bewegung ihren ersten Märtyrer. Man bemühte sich, die Beisetzung Wessels als Heldenbegräbnis zu inszenieren. Aber die Bevölkerung nahm wenig Anteil daran. Rechte und Linke indes nutzten den Trauerzug für Provokationen. Der Zug führte unweit des Karl Liebknecht-Hauses, der Parteizentrale der KPD, am Bülow-Platz vorbei. Weil Zusammenstöße zwischen Rechten und Linken befürchtet wurden, verbot man einen Trauerzug zu Fuß. Außerdem war es den Parteigenossen Wessels verboten, Uniform zu tragen. Mir begegnete der Leichenzug in der Linienstraße, ein schwarzer Leichenwagen, von schwarzen Pferden gezogen und von mehr als zehn geschlossenen Wagen gefolgt. Vor und hinter dem Leichenwagen fuhren Lastwagen der Schutzpolizei. Die Seitenwände waren heruntergeklappt, damit man schnell abspringen und eingreifen konnte. Der Zug fuhr zum Grab der Familie Wessel auf dem St. Nikolai-Friedhof im Bezirk Prenzlauer Berg.

Von Phillip erfuhr ich, dass am Grab Fahnen der SA erlaubt waren. Der Gauleiter von Berlin, Goebbels, habe die Grabrede gehalten.

 

Am Bülowplatz im Scheunenviertel in Berlin-Mitte kann man gut Geschichtliches während und nach der Weimarer Republik nachverfolgen. Er war immer Schauplatz der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Parteien und Organisationen. Über das Scheunenviertel könnte man einen eigenen Roman schreiben. Es war ein typisches Arbeiterviertel mit Mietkasernen. Die Borsigwerke lagen gleich daneben. Die berüchtigten Ringvereine der Zwanziger Jahre waren (nicht nur) im Scheunenviertel zu Hause. Heute ist keine der ehemaligen Scheunengassen mehr in ihrer ursprünglichen Form erhalten.

Am Bülowplatz selbst steht das Karl Liebknecht Haus, seit 1926 Sitz der KPD und heute Parteizentrale der „Linke“. Die Berliner Volksbühne ist seit 1915 am Bülowplatz beheimatet. 1929 eröffnete an diesem Platz das berühmte Kino Babylon.

Nach dem Aufstieg des Nationalsozialismus wurde der Platz 1933 in Horst Wessel Platz umbenannt zur Erinnerung an Horst Wessel, Sturmführer der SA , einer der „ersten Märtyrer“ des Nationalsozialismus. Nach dem 2. Weltkrieg  hieß der Platz zunächst Liebknechtplatz, dann Luxemburg Platz und schließlich ab 1969 Rosa Luxemburg Platz.

„Denkzeichenr“ am Boden des Platzes mit ZItaten von Rosa Luxemburg erinnern an die Weggefährtin Karl Liebknechts. Außerdem weist eine Infotafel auf die ehemalige Bedeutung des Scheunenviertels hin.