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Stein an Stein


„Garten ist nicht genug, sagte der Schmetterling. Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume muss man haben.“ Hans Christian Andersen 1805 – 1875

Zu der Zeit als Großmutter noch wusste, worauf es im Garten ankam, war ein Steingarten ein karges, felsiges Fleckchen,  auf dem  Pflanzen gediehen, die wenig Ansprüche stellten. Pflanzen aus Alpenregionen etwa oder der Hauswurz, dem schon ein Plätzchen in der Dachrinne genügt, wurden im Steingarten angepflanzt. Wenn heute mein Nachbar stolz erklärt, er habe einen Steingarten angelegt, vorzugsweise den Vorgarten zu einem solchen umgewandelt, damit auch genügend Passanten den steinigen Acker wertschätzen konnten; wenn also dieser Nachbar von seinem Steingarten spricht, dann meint er tatsächlich ein mit Steinen ausgelegtes Gartenareal. Diesem trendigen Steingartenfreund bietet das Gartencenter um die Ecke 64 Artikel in 116 Ausführungen: Bruchsteine, Kies, Granit, Basalt, Glassplit in allen erdenklichen Größen und Farben, dazu Kieswaben und Edelstahlschienen, um die gestalterischen Ideen in Form zu bringen. Und das Gartencenter um die Ecke verkauft immer noch vorzugsweise Pflanzen und hat daher nur eine geringe Auswahl toten Gesteins. Mittlerweile gibt es Händler, die sich ausschließlich auf Steine und Zubehör für den Steingarten spezialisiert haben. Auf Ausstellungsflächen kann ich dort steingewordene Blütenornamente bewundern. Steinerne Bachläufe aus blauem Glassplitt überspannt von einer zierlichen Steinbrücke plätschern durch fantasievolle Steinlandschaften. Und während der betongeplagte Städter sehnsuchtsvoll Pflastersteine herausreißt, um Guerilla Gardening zu betreiben,  während auf den Verkehrsinseln der Großstädte Radieschen gepflanzt werden und sich Stangenbohnen um Laternenpfähle ranken, haben die naturverwöhnten Dorfbewohner die Gegeninitiative ergriffen und begonnen, Magnolien, Rosen, Tulpen und Nelken aus ihren Vorgärten auszuweisen und die Natur mit gefärbtem Glassplitt nachzuahmen. Und da steht er dann, der eiserne Reiher in seinem Teich aus buntem Glas umgeben von einer grauen Wolke Unkrautvernichtungsmittel, denn die Natur lässt sich so einfach nicht ausweisen und irgendwo keimt immer wieder irgendetwas. Und während er da  steht, der Eisenreiher,  und ich davor,  frage ich mich,  wo eigentlich die Kinder sind, weil – man könnte doch – wenigstens einmal – so wie früher durch die Blätterhaufen im Herbst – mit den Schuhen – den blauen Kies in den weißen …