31.12.1917, Montag aus „Heute keine Schüsse – Berlin in der Weimarer Republik“

Ich bin allein in meiner Stube über der Galerie. Gegenüber fahren die Droschken vor. Einige Gäste kommen auch im eigenen Wagen. Im Salon Cassirer wird zum Silvesterball geladen. Das gelbe Licht der Gaslaternen spiegelt sich auf dem feuchten Pflaster. Fritz ist mit den Leuten der Spartakusgruppe unterwegs. Radke feiert im Kreis seiner Familie. Nachmittags habe ich Kaffee gekauft und echte Butter und ein gutes Brot. Das Pfund Butter wird jetzt für achtundzwanzig Mark angeboten, wenn es überhaupt angeboten wird. Radke hat mir Schaumwein spendiert.

Der Kunstsalon Paul Cassirer war von 1901 bis 1933 in der Viktoriastraße in der Nähe des Tiergartens. Neben Ausstellungen fanden dort auch immer wieder Lesungen und Diskussionsrunden zu gesellschaftlichen und politischen Themen statt. Nach dem Tod von Paul Cassirer 1926 übernahmen  seine Mitarbeiter Walter Feilchenfeldt und Grete Ring den Kunstsalon. Die Ausstellungen moderner Kunst im Kunstsalon wurden im Berlin der Weimarer Zeit immer kontrovers diskutiert.

Die Biografie der Familie Cassirer liest sich so spannend wie ein Roman.